Wilke-Wurst

RKI meldet dritten Listerien-Todesfall

Gibt es im Lebensmittelskandal um den nordhessischen Fleischbetrieb Wilke mehr Todesfälle als bisher angenommen? Das Robert Koch-Institut meldet nun einen dritten Listerien-Todesfall.

Anne BäurleVon Anne Bäurle und Christoph WinnatChristoph Winnat Veröffentlicht:
Listeria monocytogenes kann bei Immungeschwächten invasive Listeriosen mit Sepsis, Meningitis oder Enzephalitis auslösen.

Listeria monocytogenes kann bei Immungeschwächten invasive Listeriosen mit Sepsis, Meningitis oder Enzephalitis auslösen.

© Dr. Gary Gaugler / OKAPIA / picture alliance

Neu-Isenburg. Der Skandal um den Fleischverarbeiter Wilke ist womöglich weitreichender als bisher angenommen. Wie das Robert Koch-Institut (RKI) im aktuellen Epidemiologischen Bulletin (41/2019) berichtet, gab es bereits 2014 eine Infektion mit einem Listerien-Typ, der „eine sehr nahe Verwandtschaft“ mit dem Listerien-Typ „aus Lebensmitteln eines nicht näher benannten Betriebs aus Hessen“ aufweist. Namentlich nennen darf das RKI den Wurstproduzenten wohl nicht. Die Verbindung des RKI-Berichts zu Wilke stellte unterdessen die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch am Donnerstag her.

12 Bundesländer betroffen

Der 2014 entdeckte Listerien-Typ „Sigma 1“ (Listerien-Sequenz-Cluster-Typ 2521, Serogruppe IIA) trat laut RKI auch 2016 und 2017 sporadisch auf (3 beziehungsweise 4 Fälle), bis es Mitte 2018 zu einem Anstieg der Infektionen kam (21 Fälle). 2019 wurden bisher 8 Infektionen mit dem Listerien-Typ Sigma 1 gemeldet. Diese insgesamt 37 Fälle aus den Jahren 2014 bis 2019 verteilen sich demnach auf 12 Bundesländer.

Allerdings ist „bei diesem Listeriose-Ausbruch von einer Untererfassung auszugehen“, heißt es in dem Bericht, die Zahl der Infektionen könnte also noch höher sein. 14 der Sigma 1-Listeriose-Patienten wurden dem Institut „als verstorben übermittelt“, wobei drei Patienten als „direkt oder indirekt an Listeriose verstorben“ übermittelt wurden. Die drei Patienten stammen laut RKI aus Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt – im aktuellen Skandal um den Fleischverarbeiter Wilke war bisher lediglich von zwei Todesfällen aus dem südhessischen Raum die Rede. Diese regionale Zuordnung war offenbar falsch.

Suche nach der Infektionsquelle

Laut RKI waren viele der 37 Betroffenen älter (Median 74 Jahre) und hatten sich vor der Listeriose-Erkrankung aufgrund eines anderen medizinischen Grundes in Krankenhäusern, Reha-Einrichtungen, Altersheimen oder Ähnlichem aufgehalten. Da die Betroffenen zum einen wegen ganz verschiedener Erkrankungen behandelt worden waren, und zum anderen in unterschiedlichen Gesundheitseinrichtungen untergebracht waren, hält das RKI Arzneimittel und Medizinprodukte als Infektionsquelle für unwahrscheinlich.

37 Infektionsfälle mit dem Listerien-Typ Sigma 1 wurden seit 2014 an das Robert Koch-Institut gemeldet. Sigma 1 weist eine „sehr nahe Verwandtschaft“ mit dem Listerien-Typ „aus Lebensmitteln eines nicht näher benannten Betriebs aus Hessen“ auf, berichtet das RKI.

Vielmehr vermutet das Institut, dass die Ursache der Infektionen im Bereich der Lebensmittelversorgung der Einrichtungen liegt. Das RKI hat die zuständigen Gesundheitsämter daher gebeten, Informationen zur Lebensmittelversorgung in den betroffenen Einrichtungen zu ermitteln. Ergibt sich auch hier ein Hinweis auf die Firma Wilke, wäre das Ausmaß des Lebensmittelskandals deutlich größer als bisher angenommen.

Schlechtes Zeugnis für die Aufsicht

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) forderte am Freitag, Konsequenzen aus dem Skandal für die Lebensmittelüberwachung zu ziehen. „Die Aufklärung dauert zu lang, die Informationen sind dürftig. Es darf kein ,Weiter so‘ geben“, erklärte Verbandsvorstand Klaus Müller. Die Verbraucherschutzminister müssten eine außerordentliche Konferenz einberufen, „um wirksamere Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensmittelüberwachung und der Reaktion im Krisenfall zu beschließen“.

Die bei den Kommunen angesiedelte Lebensmittelüberwachung sei „nicht mehr zeitgemäß“. Stattdessen solle die Verantwortung für die Überwachung künftig auf Länderebene liegen. Im Krisenfall habe der Bund die Koordinierung zu übernehmen. Verbraucher müssten schneller und umfassender über Rückrufe und kritische Lieferketten informiert werden.

Doch nicht nur auf die öffentliche Überwachung wirft der Fall Wilke ein schlechtes Licht. Auch die private Qualitätssicherung schneidet unbefriedigend ab: So meldet die Standardisierungsgesellschaft IFS, die Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung von Managementsystemen habe Wilke erst am 2. Oktober das IFS Food Zertifikat entzogen, mit dem der Firma über Jahre Verfahrens- und Produktqualität bescheinigt wurde. Im Juli habe Wilke ein angekündigtes Audit noch mit leichten Mängeln („Basisniveau“) bestanden. 2018 habe der Betrieb sogar „auf einem höheren Niveau bestanden“.

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