Bakteriurie

Erneut Zweifel am Screening von Schwangeren

Zweifel am Nutzen des Screenings Schwangerer auf asymptomatische Bakteriurie werden durch eine Studie geschürt. Darin hatte die Maßnahme weder für die Mütter noch für die Kinder nennenswerte Vorteile.

Von Dr. Elke Oberhofer Veröffentlicht:
Bakteriurie-Screening bei Schwangeren ja oder nein? Experten sind uneins.

Bakteriurie-Screening bei Schwangeren ja oder nein? Experten sind uneins.

© JackF / fotolia.com

AMSTERDAM. In Deutschland wie in vielen anderen Ländern auch werden schwangere Frauen routinemäßig auf das Vorliegen einer asymptomatischen Bakteriurie getestet; das ASB-Screening ist fester Bestandteil der Schwangerenvorsorge und wird auch von den Leitlinien unterstützt.

Dennoch gibt es Stimmen, die den Sinn einer solchen Maßnahme hinterfragen.

Im Februar dieses Jahres hat das IQWiG eine Nutzenbewertung vorgelegt. Ergebnis: Nutzen unklar; es lägen, so die Institutsmitarbeiter, nur drei über 40 Jahre alte Studien vor, die die Endpunkte kindliche Morbidität sowie Pyelonephritis und unterer Harnwegsinfekt bei der Mutter untersucht hatten.

Nur bei den letzten beiden Endpunkten, so die IQWiG-Experten, gebe es Anhaltspunkte für den Effekt einer antibiotischen Behandlung. Die Ergebnisse ließen sich jedoch nicht auf die derzeitige Versorgungssituation übertragen.

Screening nur für Risikogruppen

Anders als in Deutschland wird das ASB-Screening in den Niederlanden seit jeher nur für Risikogruppen empfohlen. Hier war also möglich, eine Vergleichsstudie unter "natürlichen" Bedingungen durchzuführen.

Brenda Kazemier und Kollegen von Centre for Infection and Immunity in Amsterdam unterzogen 5132 Frauen zwischen der 16. und 22. Schwangerschaftswoche einem Screening mittels Streifentest. Risikopatientinnen waren ausgeschlossen.

Den 255 positiv getesteten Frauen mit asymptomatischer Bakteriurie bot man an, an einer randomisierten Studie teilzunehmen, in der eine Behandlung mit Nitrofurantoin gegenüber Placebo verglichen wurde.

85 Frauen stimmten zu. Diejenigen, die nicht an der Therapiestudie teilnehmen wollten, verblieben in der Auswertung der Intention-to-treat-Analyse (Lancet Infect Dis 2015;15: 1324-1333).

Als primären Endpunkt hatten die Forscher Pyelonephritis bei der Mutter und/oder Frühgeburt (vor der 34. Woche) definiert.

Wie Kazemier und Kollegen berichten, ergab sich hier kein signifikanter Unterschied zwischen asymptomatischen, aber positiv getesteten Frauen, die unbehandelt geblieben waren oder Placebo erhalten hatten, und Frauen mit negativem Screening-Ergebnis (2,9 vs. 1,9 Prozent).

Überraschenderweise hatte nur ein sehr geringer Anteil unbehandelter Frauen eine Nierenbeckenentzündung entwickelt: 2,4 Prozent waren es in einer Gruppe mit gemischt Gram-negativen und -positiven Keimen, 2,9 Prozent bei nur Gram-negativen.

Verlauf der Nierenbeckenentzündung unkompliziert

Zum Vergleich: In der Gruppe ohne nachgewiesene Bakteriurie erkrankten 0,6 Prozent. Umgekehrt hatten nur 17 Prozent der insgesamt 29 Frauen, bei denen während der Schwangerschaft eine akute Pyelonephritis diagnostiziert wurde, während der 16. und 22. Woche, also zum Zeitpunkt des Tests, eine asymptomatische Bakteriurie.

Der Verlauf der Nierenbeckenentzündung war durchweg unkompliziert. Nach den Autoren sprachen die meisten der gefundenen Mikroorganismen (93 Prozent) auf Nitrofurantoin an. In keinem der Fälle erreichte der Titer für Gruppe-B-Streptokokken mehr als 1 x 105 CFU/ml.

Frauen, die in der randomisierten Studie Nitrofurantoin erhalten hatten, entwickelten zwar etwas seltener einen behandlungspflichtigen symptomatischen Harnwegsinfekt als diejenigen, die zuvor unbehandelt geblieben waren (2,5 vs. 2,9 Prozent); dieser Unterschied, betonen die Autoren, sei jedoch nicht signifikant.

Ob die Mutter im Screening positiv oder negativ getestet worden war, ob sie Antibiotika erhalten hatte oder nicht: Die Ergebnisse bei den Kindern - dies waren sekundäre Endpunkte - blieben vergleichbar, sowohl für das Gestationsalter zum Zeitpunkt der Geburt und das Kriterium "small for gestational age" als auch hinsichtlich schwerer Erkrankungen wie Atemdepression, nekrotisierende Enterokolitis, Lungenerkrankungen und Sepsis.

Studie hat einige Schwachpunkte

Der Studie lassen sich einige Schwachpunkte ankreiden: So hatten die Forscher den Bakterienstatus aufgrund nur einer Urinprobe ermittelt. Damit, so Kommentatorin Lindsay E. Nicolle von der University of Manitoba, habe man möglicherweise 20 bis 35 Prozent der Frauen fälschlicherweise positiv bewertet, weil weitere Tests negativ ausgefallen wären.

Zweitens basierte die Diagnose "symptomatischer Harnwegsinfekt" auf Patientenaussagen. Drittens hatte man nur ein Drittel aller Teilnehmerinnen für die Studie gewinnen können; damit ist die Aussagekraft deutlich limitiert.

Und schließlich waren Patientinnen mit Risikofaktoren außen vor geblieben.

Für die niederländischen Forscher sprechen die Ergebnisse dennoch gegen ein routinemäßiges ASB-Screening bei Schwangeren. Das absolute Risiko einer Pyelonephritis sei gering und die meisten Frauen, die eine solche entwickelten, hätten keine asymptomatische Bakteriurie gehabt.

Expertin Nicolle jedoch hält dagegen: Ein radikales Umschwenken bei der Schwangerenvorsorge sei auf der Grundlage der Daten nicht angezeigt. Eine Pyelonephritis war in neueren Studien eindeutig mit negativen Folgen für das Kind assoziiert.

Das seit langem etablierte Screening mit gegebenenfalls antibiotischer Behandlung habe insgesamt zu einer deutlichen Verbesserung geführt. Ob man die gegenwärtige Praxis beibehalte oder nicht, könnten nur weitere klinische Studien zeigen.

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