Leberwerte hoch? Fragen, tasten, testen!

Erhöhte Leberwerte sind häufige Zufallsbefunde, die nicht unbedingt das Vorliegen einer Erkrankung anzeigen müssen. Trotzdem ist es wichtig, pathologische Leberwerte abzuklären. Bei klar strukturiertem Vorgehen gelingt die Abklärung, ohne die "große Diagnosestraße" zu durchlaufen.

Von Universitäts-Professor Markus Peck-Radosavljevic Veröffentlicht:

Rein statistisch ist bei einer Routine-Laboruntersuchung von sechs unterschiedlichen Leberwerten damit zu rechnen, daß bei einem Viertel der Patienten zumindest ein erhöhter Leberwert gefunden wird, auch ohne jegliche Lebererkrankung. Durch eine vollständige Anamnese und körperliche Untersuchung zusammen mit Routine-Labortests kann die Diagnose in vielen Fällen jedoch schon abgeschätzt werden.

Die große Mehrheit der Patienten, bei denen aufgrund der Anamnese und der Labortests keinen Hinweis auf eine spezifische Lebererkrankung besteht, werden letztendlich eine Steatose, eine Steatohepatitis oder einen alkoholischen Leberschaden haben.

    Erhöhte Leberwerte sind oft ein Zufallsbefund.
   

Die vollständige Anamnese ist immer noch die wichtigste Einzeluntersuchung, wenn erhöhte Leberwerte evaluiert werden. Medikamente, Exposition zu chemischen Substanzen und der Gebrauch von pflanzlichen Heilmitteln müssen erfragt und im zeitlichen Zusammenhang zur Erhöhung der Leberwerte gesehen werden. Gab es Bluttransfusion, Tätowierungen, Reisen oder Kontakt mit Gelbsuchtpatienten? Besteht ein Drogen- oder Alkoholabusus?

Nicht zuletzt sollte auch die sexuelle Aktivität erfragt werden. Wichtig ist auch das Vorhandensein von Begleitsymptomen wie Ikterus, Gelenk- und Muskelschmerzen, Ausschlägen, Gewichtsverlust, Bauchschmerzen, Übelkeit, Fieber, Juckreiz sowie Veränderungen der Ausscheidungen.

Bei der Untersuchung schaut man nach Leberzeichen

Bei der körperlichen Untersuchung konzentriert man sich zuerst auf das Erscheinungsbild: Muskelverlust an den proximalen Extremitäten und temporal deutet auf lang dauernde Erkrankungen hin. Zeichen der chronischen Lebererkrankung sind Spider naevi, Palmarerythem, Gynäkomastie und Caput medusae.

Auf eine alkoholbedingte Genese einer Zirrhose deuten eine Dupuytren'sche Kontraktur, eine Vergrößerung der Parotis sowie eine Hodenatrophie hin. Einzelne vergrößerte, verhärtete Lymphknoten können Hinweis auf ein abdominelles Malignom geben. Gestaute Jugular-Venen können Rechtsherzversagen bedeuten und suggerieren eine Stauungsleber. Ein rechtsseitiger Pleuraerguß auch ohne klinisch offensichtlichen Aszites wird bei fortgeschrittener Leberzirrhose beobachtet (hepatischer Hydrothorax).

Auf die Größe und Konsistenz der Leber, das Vorhandensein von Aszites sowie auf eine Splenomegalie ist zu achten. Druckschmerz im rechten Oberbauch zusammen mit einer vergrößerten Leber kann dabei auf eine akute Hepatitis oder auf eine Stauungsleber hindeuten. Starke kolikartige Schmerzen im rechten Oberbauch findet man bei Cholelithiasis, oder im Zusammenhang mit Fieber auch bei Cholangitis. Aszites mit Ikterus ist typisch bei Leberzirrhose oder bei einem Malignom mit peritonealer Aussaat.

Eine chronische, länger als sechs Monate dauernde mäßiggradige Erhöhung (unter 250 U/l) von GOT und/oder GPT sollte schrittweise abgeklärt werden: Fast jedes Medikament kann eine Erhöhung der Leberwerte verursachen, wobei NSAR, Antibiotika, Lipidsenker, Antiepileptika und Tuberkulostatika besonders häufig Auslöser sind. Auch eine Reihe von pflanzlichen Heilmitteln, besonders verschiedene chinesische Tees, sowie Drogenabusus sind eine häufige Ursache für erhöhte Leberwerte.

Chronischer Alkoholabusus ist nicht nur eine der häufigsten Ursachen für erhöhte Leberwerte, sondern auch eine oft verschwiegene Tatsache.

Hinweise für einen alkoholischen Leberschaden könnten eine mehr als doppelt so hohe GOT im Vergleich zur GPT sein, wobei dieses Muster allerdings auch gelegentlich bei der nicht-alkoholischen Steatohepatitis vorkommen kann, sowie auch bei der Leberzirrhose anderer Ursache. Wenn GOT und GPT erhöht sind, so ist eine mehr als doppelt erhöhte Gamma-GT ein weiterer Hinweis auf einen alkoholischen Leberschaden.

Wichtig ist es jedoch es zu beachten, daß eine isolierte Erhöhung der Gamma-GT wegen der geringen Spezifität völlig unzureichend zur Diagnose eines alkoholischen Leberschadens ist. Auch die Untersuchung des carbohydratdefizienten Transferrins (CDT) bietet keineswegs einen definitiven Beweis eines alkoholischen Leberschadens.

Bei Fettleber gibt es maximal eine sehr milde bis gar keine Erhöhung der Transaminasen. Die Diagnose wird sonographisch gestellt. Die Untersuchung sollte in allen Fällen von erhöhten Leberwerten gemacht werden. Von der Fettleber unterschieden werden sollte die nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH), welche häufig bei Frauen mit Übergewicht und Typ-2-Diabetes vorkommt und im Gegensatz zum alkoholischen Leberschaden oft eine stärkere Erhöhung der GPT im Vergleich zur GOT aufweist.

Dieses Unterscheidungsmerkmal ist jedoch nicht zuverlässig. Zur Diagnostik der NASH kann eine Leberbiopsie weiterhelfen. Sie ist jedoch nicht in jedem Fall indiziert, besonders da es derzeit keine erwiesene Therapie gibt. Nicht einmal die unbedingte Therapienotwendigkeit ist mit Sicherheit geklärt.

Zur Erstuntersuchung hinsichtlich einer Hepatitis B sollte eine Serologie mit HBs-Antigen, HBs-Antikörper und HBc-Antikörper gemacht werden. Bei positiven HBs- und HBc-Antikörpern besteht Immunität gegen Hepatitis B, und die Transaminasenerhöhung hat eine andere Ursache. Bei Verdacht auf chronische Hepatitis C muß auf HCV-Antikörper untersucht werden.

Falls die bisherigen Untersuchungen zu keiner Diagnose geführt haben, so sollten im nächsten Schritt vor allem nicht-hepatale Ursachen erhöhter Transaminasen ausgeschlossen werden.

Erhöhtes Bilirubin kommt auch bei gestörter Erythropoese vor

Eine isolierte Hyperbilirubinämie tritt entweder bei Überproduktion von Bilirubin oder bei verminderter Aufnahme, Konjugation oder Exkretion von Bilirubin auf. Eine unkonjugierte Hyperbilirubinämie findet sich entweder bei einer Bilirubinüberproduktion (Hämolyse, ineffektive Erythropoese) oder bei verminderter Bilirubinaufnahme oder Konjugation (M. Gilbert, Crigler-Najjar-Syndrom, medikamentös induziert) auf.

Eine konjugierte Bilirubinämie deutet vor allem auf ein Dubin-Johnson-Syndrom und Rotor-Syndrom hin, zwei seltene angeborene Erkrankungen ohne wesentlichen Erkrankungswert.

Bei Erhöhungen der alkalischen Phosphatase (AP) sollte sichergestellt werden, daß diese hepatalen Ursprungs ist und nicht aus dem Knochen, der Plazenta oder dem Dünndarm stammt. Deutliche Transaminasenerhöhung mit Ikterus kommt bei viraler und toxischer Hepatitis sowie fortgeschrittener Leberzirrhose und bei jungen Patienten mit M. Wilson vor, weiters auch im akuten Schub einer Autoimmunhepatitis und bei einer Schockleber.

Mit Ultraschall wird Ursache einer Cholestase geklärt

Bei Patienten mit vorwiegend cholestatischem Muster ist der erste Schritt eine Ultraschalluntersuchung des Abdomens. Damit läßt sich eine extrahepatische von intrahepatischer Cholestase unterscheiden. Die häufigste Ursache ist die Choledocholithiasis, differentialdiagnostisch kommen außer malignen Verschlüssen auch die primär sklerosierende Cholangitis, eine chronische Pankreatitis sowie bei HIV-Infizierten eine Aids-Cholangiopathie in Betracht.

Eine intrahepatische Cholestase kann bei allen Erkrankungen gefunden werden, die auch ein hepatozelluläres Muster des Leberschadens aufweisen. Außer Hepatitis B und C kann das auch eine Hepatitis A, alkoholische Hepatitis oder eine EBV (Epstein-Barr-Virus)- und eine CMV (Cytomegalie-Virus)-Hepatitis als Cholestase präsentieren.

Medikamentöse Ursachen sind häufig; wesentlich seltener eine primär biliäre Zirrhose oder eine primär sklerosierende Cholangitis. Außer der genetisch bedingten benignen Cholestase stellen komplette parenterale Ernährung, nicht-hepatobiliäre Sepsis, postoperative Cholestase sowie eine Cholestase als paraneoplastisches Syndrom die wichtigsten Differentialdiagnosen der Cholestase dar.

Professor Markus Peck-Radosavljevic ist Gastroenterologe an der Universitätsklinik in Wien.

Der Artikel erschien zuerst in der österreichischen Wochenzeitung "Ärzte Woche" am 8. September auf Seite 32

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