Robert-Koch-Preis

Lebensretter Hände-Hygiene

Der Mediziner Professor Didier Pittet aus Genf ist mit dem Robert-Koch-Preis für Krankenhaushygiene ausgezeichnet worden. Vor 25 Jahren legte er den Grundstein für eine der erfolgreichsten WHO-Kampagnen zur Patientensicherheit.

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Wenige Sekunden reichen für die Desinfektion.

Wenige Sekunden reichen für die Desinfektion.

© picture alliance / Swen Pförtne

BERLIN. Millionen Menschen sterben jedes Jahr an nosokomialen Infektionen, die sie sich in Kliniken oder Pflegeheimen zugezogen haben. Allein in den USA könnte die Zahl bei jährlich bis zu 200.000 liegen, fürchtet Professor Didier Pittet. Der Leiter der Abteilung für Krankenhaushygiene an den Genfer Universitätskliniken wurde jetzt für seine Erfolge bei der Prävention von nosokomialen Infektionen mit dem Robert-Koch-Preis für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention ausgezeichnet.

Die von Pittet geleitete WHO-Kampagne "Clean Care is Safer Care" nimmt für sich in Anspruch, fünf bis acht Millionen Menschen pro Jahr das Leben zu retten, berichtet die Robert-Koch-Stiftung in einer Mitteilung zur Preisverleihung bei der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Die Kampagne hat sich die verbesserte Händehygiene als eine zentrale Forderung auf die Fahnen geschrieben.

Vorschriften alleine reichen nicht

In mehr als 50 Ländern gibt es mittlerweile nationale Kampagnen wie "Aktion Saubere Hände", "Mission Mains Propres" oder "STOP! Clean your hands". Fast 20.000 Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen aus 177 Ländern – von A wie Afghanistan bis Z wie Zimbabwe – haben sich als Teilnehmer verpflichtet, die konsequente Händedesinfektion in den klinischen Alltag fest zu integrieren. Für Pittet ist damit das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht: "Unser Ziel ist es, dass sich unserer Kampagne jedes einzelne Krankenhaus auf der ganzen Welt anschließt."

1992 war Pittet als neuer Direktor des Programms für Infektionskontrolle an den Genfer Universitätskliniken mit dem Problem mangelhafter Händehygiene zum ersten Mal in verantwortlicher Position konfrontiert worden. Er wollte verstehen, warum die Compliance auch 150 Jahre nach Einführung der hygienischen Händedesinfektion durch Ignaz Semmelweis immer noch dermaßen zu wünschen übrig ließ. Vor allem eine Lektion hat er dabei gelernt, nämlich, dass Vorschriften alleine nicht reichen, um Menschen dazu zu bewegen, dasjenige zu tun, von dem sie eigentlich wissen, dass es richtig wäre.

Damals wusch man sich die Hände noch mit Wasser und Seife, was ein bis zwei Minuten in Anspruch nehmen konnte. Pittet setzte sich mit einem Klickzähler auf die Intensivstation. Er kam zu dem Schluss, dass eine Intensivschwester bei der großen Zahl von Patientenkontakten nahezu die Hälfte ihrer Arbeitszeit mit Händewaschen beschäftigt wäre, würde sie sich streng an die Regularien halten. Daraufhin führte er in der Genfer Klinik ein alkoholisches Desinfektionsmittel ein. Sich damit die Hände einzureiben, dauerte nur 10 bis maximal 30 Sekunden. Außerdem tötete es die Keime auf der Haut sehr viel effektiver ab als Seife. Pittet machte die Alkohollösung allgemein verfügbar, auf allen Stationen wurden Dispenser direkt an Krankenbetten installiert. Alle Ärzte und Pflegekräfte bekamen außerdem kleine Kittelflaschen. Überall auf den Klinikfluren wurden von den Mitarbeitern selber entworfene Poster aufgehängt, die zeigten, wie man die Hände richtig desinfiziert.

Der Erfolg ließ nicht auf sich warten. Die Compliance bei der Händehygiene verbesserte sich von 48 auf 66 Prozent – so das Ergebnis einer im Jahr 2000 im Fachblatt "Lancet" veröffentlichten Studie. Darin waren mehr als 20.000 beobachteten Situationen mit erforderlichen Maßnahmen zur Händehygiene analysiert worden. Die Rate nosokomialer Infektionen sank binnen drei Jahren um mehr als 40 Prozent; bei Infektionen durch Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) betrug der Rückgang sogar mehr als 50 Prozent. Hunderte von Menschenleben wurden auf diese Weise gerettet – und zugleich Millionensummen eingespart.

Kulturelle und religiöse Kontexte

Das Beispiel machte Schule. Als erstes Land warb Großbritannien seit 2004 flächendeckend für das "Genfer Modell der Händehygiene". Wenig später übernahm Pittet die externe Leitung des WHO-Programms "Clean Care is Safer Care". Zusammen mit internationalen Experten wurden globale Leitlinien formuliert, die sich an der in Genf entwickelten multimodalen Strategie orientierten. Auf Plakaten in vielen verschiedenen Sprachen, die auch auf unterschiedliche kulturelle und religiöse Kontexte Rücksicht nahmen, wurden die wesentlichen Handgriffe anschaulich erklärt. "Respekt vor dem religiösen Hintergrund und der kulturellen Vielfalt ist der Schlüssel zum Erfolg", wird Pittet in der Mitteilung der Robert-Koch-Stiftung zitiert.

2014 wurde die alkoholische Lösung zur Händedesinfektion in die Liste der "unentbehrlichen Arzneimittel" der WHO aufgenommen. Um die Kosten vor allem in den ärmeren Regionen zu senken, entwickelte Pittet zusammen mit Fachkollegen der WHO eine lizenzfrei vergebene Rezeptur – die WHO-Alkohol-basierte Formulierung – nach der in heute mehr als 60 Ländern Händedesinfektionsmittel auf der Basis von Bioäthanol aus Anbaupflanzen wie Zuckerrohr, Mais, Maniok, Reis oder Kartoffeln hergestellt werden. Solche vor Ort fast umsonst verfügbaren Präparate kamen auch beim jüngsten Ebola-Ausbruch in Liberia zum Einsatz. (eb)

Informationsvideo zur Kampagne unter:

magazin.barmer.de/krankenhaushygiene-leben-retten-durch-haendewaschen/

Der Robert-Koch-Preis für Krankenhaushygiene

  • Die Robert-Koch-Stiftung vergibt seit 2013 alle zwei Jahre den "Preis für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention".
  • Ziel ist es, beispielhafte Leistungen auf dem Gebiet sichtbar zu machen und damit den Hygienestandard in unseren Krankenhäusern zu verbessern.
  • Gestiftet wird der mit 50.000 Euro dotierte Preis von der B. Braun Melsungen AG und der BARMER.
  • Preisträger bisher waren die Professoren Helge Karch, Münster, und Petra Gastmeier, Berlin.
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