Frühsommer-Meningoenzephalitis

FSME-Gefahr droht immer und überall

In drei Jahren in Folge gab es in Deutschland immer mehr von Zecken übertragene FSME-Fälle, berichtet das RKI. Ab 40 Jahren steigt das Erkrankungsrisiko deutlich an.

Ingrid KreutzVon Ingrid Kreutz Veröffentlicht:
Die Übertragung der FSME-Viren erfolgt bereits innerhalb der ersten Stunden nach dem Zeckenstich.

Die Übertragung der FSME-Viren erfolgt bereits innerhalb der ersten Stunden nach dem Zeckenstich.

© sasel77 / stock.adobe.com

BERLIN. Die Zahl der dem Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin gemeldeten FSME-Fälle ist im vergangenen Jahr wieder deutlich gestiegen: 505 Krankheitsfälle waren es 2017 im Vergleich zu 360 Meldungen im Jahr 2016 und 228 Fällen im Jahr 2015 (siehe nachfolgende Grafik).

In Deutschland besteht laut RKI weiterhin ein Risiko für eine FSME-Infektion vor allem in Bayern und Baden-Württemberg, in Südhessen und im südöstlichen Thüringen.

Einzelne Risikogebiete befinden sich zudem in Mittelhessen (LK Marburg-Biedenkopf ), im Saarland (Saar-Pfalz-Kreis), in Rheinland-Pfalz (LK Birkenfeld), und seit 2014 mit dem LK Vogtlandkreis auch in Sachsen. Somit bleiben weiterhin 146 Kreise als FSME-Risikogebiete definiert.

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FSME-Risiko auch im Ausland

Die insgesamt langsame Zunahme der FSME-Risikogebiete in den letzten Jahren fand überwiegend innerhalb der oder direkt angrenzend an die beschriebenen süddeutschen Areale statt.

Dennoch wurden in den vergangenen Jahren, und vermehrt im Jahr 2016, auch in Bundesländern ohne FSME-Risikogebiete vereinzelt FSME-Erkrankungen beobachtet (siehe nachfolgende Tabelle), so dass besonders während der Zeckensaison bei entsprechender Symptomatik überall in Deutschland differenzialdiagnostisch an FSME gedacht werden sollte, rät das Institut.

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Ein FSME-Risiko besteht auch im europäischen Ausland, und zwar vor allem in Tschechien und Österreich sowie in großen Teilen der Schweiz. Risikogebiete gibt es außerdem in Estland, Lettland, Litauen, Polen sowie in der Slowakei, in Slovenien, in Schweden und in Finnland.

Die Frühsommer-Meningoenzephalitis ist eine durch ein gleichnamiges Virus verursachte akute Entzündung des Gehirns, des Rückenmarks und der Hirnhäute. Hauptvirusreservoir sind Kleintiernager des Waldes und der Wiesen und selten auch Ziegen (S1-Leitlinie "Frühsommer-Meningoenzephalitis" der Deutschen Gesellschaft für Neurologie).

Die FSME-Viren werden hauptsächlich durch Zecken übertragen, allerdings erinnern sich nur etwa 70 Prozent der Erkrankten an einen Zeckenstich. Je nach Region sind 0,1 bis 5 Prozent der Zecken mit dem Virus infiziert, in einzelnen südöstlichen deutschen Landkreisen wurden auch höhere Durchseuchungsraten gefunden, heißt es in der Leitlinie.

Erwachsene Zecken halten sich in der Regel in der bodennahen Vegetation in einer Höhe von 30-60 cm auf, seltener bis zu 1,5 m; sie fallen nicht von den Bäumen. Sie können im Gebirge bis zu einer Höhe von etwa 1500 m ü. M. vorkommen.

Sie werden ab etwa 6°-8°C aktiv, wichtig ist außerdem eine lokale Luftfeuchtigkeit von > 80 Prozent. Die Übertragung der FSME-Viren erfolgt innerhalb der ersten Stunden nach dem Zeckenstich. Selten erfolgt auch eine Übertragung durch infizierte Ziegenmilch.

Mehr Erkrankungen ab 40 Jahre

Daten und Fakten zu FSME

Die meisten Infektionen erfolgen zwischen März und November mit einem Gipfel in den Hochsommermonaten. Je nach Witterung können Infektionen aber auch über das gesamte Jahr erfolgen.

In den vergangenen Jahren, und vermehrt im Jahr 2016,wurden auch in Bundesländern ohne FSME-Risikogebiete vereinzelt FSME-Erkrankungen beobachtet.

Das Erkrankungsrisiko steigt laut RKI ab dem Alter von 40 Jahren deutlich an.

Bei etwa 33 Prozent liegt die klinische Manifestationsrate der FSME-Virusinfektion.

Die FSME-Erkrankung manifestiert sich in 50 Prozent der Fälle als Meningitis, bei 40 Prozent als Meningoenzephalitis und bei 10 Prozent als Meningoenzephalomyelitis.

Die meisten Infektionen erfolgen zwischen März und November mit einem Gipfel in den Hochsommermonaten. Je nach Witterung können Infektionen aber auch über das gesamte Jahr erfolgen. Die klinische Manifestationsrate der FSME-Virusinfektion liegt bei etwa 33 Prozent.

Die variablen Krankheitsverläufe lassen sich sowohl durch Unterschiede im individuellen Abwehrverhalten als auch in der Virulenz und Anzahl der übertragenen Viren erklären. Das Erkrankungsrisiko steigt laut RKI ab dem Alter von 40 Jahren deutlich an.

Bei zirka 70 Prozent der Patienten manifestiert sich die FSME mit einem zweigipfligen Fieberverlauf. Nach einer Inkubationszeit von durchschnittlich 10 Tagen (5-28 Tage) kommt es zunächst zu einer etwa einwöchigen Prodromalphase mit allgemeinem Krankheitsgefühl, Kopfschmerzen, Fieber und gelegentlich auch Bauchschmerzen. Serologie und Liquor können zu diesem Zeitpunkt noch unauffällig sein.

Nach vorübergehender Besserung markiert ein erneuter Fieberanstieg wenige Tage später den Beginn der zweiten Krankheitsphase.

Diese manifestiert sich in 50 Prozent der Fälle als Meningitis, bei 40 Prozent als Meningoenzephalitis und bei 10 Prozent als Meningoenzephalomyelitis. In seltenen Fällen kann das Fieber einziges klinisches Merkmal der FSME sein.

Diagnose über Blut und Liquor

Die Diagnose der FSME sollte der S1-Leitlinie zufolge auf der Anamnese – Aufenthalt in einem Risikogebiet, fakultativ erinnerlicher Zeckenstich, Prodromalphase mit grippeähnlichen Symptomen, typische neurologische Symptomatik mit Kopfschmerzen und Fieber – und dem Nachweis von entzündlichen Veränderungen in Blut und Liquor sowie von FSME-spezifischen IgM-und IgG-Antikörpern im Blut basieren.

Für die FSME existiert bisher keine kausale Therapie. Besonders auf eine Gabe von immunmodulierenden Medikamenten wie zum Beispiel Glukokortikoide sollte wegen der Gefahr einer Verschlechterung der Immunabwehr verzichtet werden, heißt es in der Leitlinie.

Gegen Fieber, Kopfschmerzen und Anfälle sollte symptomatisch vorgegangen werden. Bei etwa fünf Prozent der Patienten ist wegen Atemlähmung oder schweren Bewusstseinsstörung eine Behandlung auf der Intensivstation notwendig.

Gegen FSME gibt es effektive Schutzmaßnahmen: Zeckenstiche können etwa durch das Tragen von heller, geschlossener Kleidung, das Meiden von Unterholz und hohen Gräsern und Verbleiben auf festen Wegen zum Teil verhindert werden (Epidemiologisches Bulletin 27. April 2017/Nr. 17). Das Applizieren von Repellents schützt nur begrenzt über einige Stunden.

Bei Zeckenbefall sollte die Zecke immer umgehend entfernt und die Wunde sorgfältig desinfiziert werden, rät das RKI.

Die FSME-Viren gelangten jedoch schon beim Beginn des Blutsaugens von der Zecke auf den Menschen. Das Absuchen des Körpers nach Zecken und ihre schnelle Entfernung biete daher zur Verhütung der FSME nur wenig Schutz.

Den zuverlässigsten Schutz gegen die FSME bietet die Impfung. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt sie für Personen, die in Risikogebieten wohnen oder arbeiten und dabei ein Risiko für Zeckenstiche haben sowie Personen, die sich aus anderen Gründen in Risikogebieten aufhalten und dabei gegenüber Zecken exponiert sind.

Lesen Sie dazu auch: FSME: 98-prozentiger Schutz schon nach zwei Impfungen

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