EU und WHO

Vertrauen in Impfungen wiederherstellen

Die Zahl der Masernerkrankungen steigt weltweit, die Impfraten sinken: Die EU und die WHO wollen dagegen vorgehen. Der EU-Gesundheitskommissar plädiert für drastische Maßnahmen.

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Diptherie-Impfung. Die Weltgesundheitsorganisation sorgt sich um die sinkenden Impfraten.

Diptherie-Impfung. Die Weltgesundheitsorganisation sorgt sich um die sinkenden Impfraten.

© Hani Mohammed/AP/dpa

BRÜSSEL. Sinkende Impfraten bedrohen das Leben von Kindern in zahlreichen Ländern, warnt die Weltgesundheitsorganisation (WHO).

„In Europa sterben Kinder an vermeidbaren Krankheiten“, sagte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus am Donnerstag beim Weltimpfgipfel in Brüssel.

„Jede Minute, die wir zögern, uns für Impfungen einzusetzen, kostet Kinder das Leben“, sagte EU-Gesundheitskommissar Vytenis Adriukaitis vor rund 400 Vertretern von Regierungen, Hilfsorganisationen sowie Fachpublikum von Ärzten und Pflegepersonal aus allen Regionen der Welt.

„Wenn man sich das epidemiologische Bild anschaut und sieht, dass man keine rasche Chance auf einen umfassenden Impfschutz hat, sollte man es verpflichtend machen“, erklärte Andriukaitis unter dem Applaus der Teilnehmer.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker betonte: „Es kann nicht angehen, dass in einer so hoch entwickelten Welt wie der unseren noch immer Kinder an Krankheiten sterben, die schon seit Langem hätten ausgerottet sein sollen.“ Alle Länder müssten stärker gegen falsche Information und Impfskepsis kämpfen, forderte er.

Freiwillige Impfung für Flüchtlinge in Belgien

Im Mittelpunkt der eintägigen Beratungen stand die Frage, wie man das Vertrauen der Menschen in die Wirksamkeit und den Schutz von Impfungen erhöhen könnte.

Maggie de Block, Belgiens Ministerin für Soziales, Gesundheit und Migration, forderte alle Mitarbeiter im Gesundheitswesen auf, „sich überzeugender für den Impfschutz einzusetzen“.

In ihrem Land, so die Ministerin, würde selbst ankommenden Flüchtlingen bereits am ersten Tag ihres Aufenthaltes eine freiwillige Impfung angeboten. Die Rate liege bei 95 Prozent, „weil unsere Mitarbeiter überzeugend sind“.

Katherine O‘Brien, die für Impffragen zuständige Direktorin der Weltgesundheitsorganisation (WHO), forderte dazu auf, sich an die „Eltern von morgen“ zu wenden – also bereits Studenten und Auszubildende anzusprechen sowie jeden Kontakt von Gesundheitspersonal mit schwangeren Frauen und werdenden Eltern zu nutzen, um ihnen zu zeigen: „Impfungen sind sicher. Impfungen schützen ihr Kind.“

Sie verurteilte die Kampagnen der Gegner scharf. Zwar seien derartige Aktionen nicht neu, aber sie hätten über die sozialen Netzwerke heute mehr Chancen, ihre „falschen Argumente“ zu verbreiten.

Facebook & Co wollen Fake News bremsen

Jason Hirsch, Manager beim US-Konzern Facebook, berichtete über neue Initiativen seines Hauses, um „Falschinformationen über Impfungen“ auszugrenzen. So würden die Betreiber solcher Seiten bei Suchanfragen deutlich heruntergestuft.

Anti-Impf-Kampagnen nehme man seit April die Möglichkeit, über Facebook Förderer zu finden. Maud Sacquet, Managerin beim Internet-Konzern Mozilla, der auch den Browser Firefox betreibt, kündigte die Entwicklung neuer Instrumente und Tools an, um zu verhindern, dass „Desinformationen weiter verbreitet werden“.

Beide Online-Konzerne suchten stattdessen die Partnerschaft mit der WHO und anderen „seriösen Organisationen“, um deren Erkenntnisse zugänglich zu machen.

Viel zu viele Menschen säßen dem Irrglauben auf, dass Impfstoffe Krankheiten verursachen statt sie vorzubeugen, sagte Juncker.

Auch der Irrglaube, dass Pharmafirmen aus Profitgier für Impfungen werben, sei verbreitet. Dagegen müsse gekämpft werden. „Wir müssen das Vertrauen in Impfungen wieder herstellen, und dabei müssen alle mitmachen“, sagte er.

Mehr Investitionen gefordert

„Impfungen sind eine der wichtigsten Erfindungen in der Geschichte der Medizin“, sagte WHO-Chef Tedros. Ein experimenteller Ebola-Impfstoff helfe im Kongo gerade dabei, die Ausbreitung der tödlichen Krankheit einzudämmen. Für Tests in Afrika gebe es jetzt einen Impfstoff gegen Malaria.

Tedros forderte mehr Investitionen in neue Impfstoffe sowie mehr Hilfsgelder, um Kinder auch in entlegenen Konflikt- oder Katastrophengebieten mit lebensrettendem Impfstoff zu erreichen.

„Die Ärmsten und am stärksten Benachteiligten laufen die größte Gefahr, leer auszugehen“, sagte er. „Impfungen unterbrechen einen Teufelskreis, der Kinder in Armut gefangen hält.“

WHO schläg Alarm

Die WHO schlägt schon lange unter anderem wegen weltweit steigender Masernfälle Alarm. In der Region Europa wurden im ersten Halbjahr 2019 rund 90.000 Fälle registriert. Das waren bereits mehr als die 84.462 Fälle im gesamten Jahr 2018. (ded/dpa)

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Wir haben den Beitrag aktualisiert am 12.09.2019 um 14:44 Uhr.

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