"Bei Pandemie wird keiner bevorzugt behandelt"
NEU-ISENBURG (mut). Bei einer Influenza-Pandemie sollten Ärzte antivirale Mittel allen behandlungsbedürftigen Patienten verordnen - solange der Vorrat reicht. Eine bevorzugte Therapie bestimmter Personengruppen lehnen Bundesärztekammer (BÄK) und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ab.
Veröffentlicht:Sollte es zu einer Grippe-Pandemie durch einen neuen Influenza-Virusstamm kommen, wird es in den ersten drei bis sechs Monaten der Epidemie keinen Impfstoff geben. In dieser Zeit können voraussichtlich nur antivirale Mittel wie Oseltamivir (Tamiflu®) und Zanamivir (Relenza®) den Infizierten helfen.
Diese Mittel könnten jedoch bei einer Pandemie schnell knapp werden. Im Nationalen Influenza-Pandemieplan wird zwar empfohlen, Neuraminidase-Hemmer für 20 Prozent der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen, eingelagert worden sind jedoch nur Medikamente für etwa zehn Prozent (wir berichteten).
"Ärzte sollen streng nach Indikation therapieren." | |
Vertreter von Landesgesundheitsbehörden hätten daher BÄK und KBV gebeten, Risikogruppen zu definieren, nach denen Patienten dann bevorzugt von Ärzten medikamentös behandelt werden sollen, heißt es in einer Stellungsnahme von BÄK und KBV im "Deutschen Ärzteblatt" (102, 2005, 3444).
Dieses Ansinnen wird von den beiden Ärzteorganisationen aber strikt abgelehnt. "Eine Definition von Risikogruppen würde auf eine harte Rationierung hinauslaufen. Ärzte sollen nicht in die Situation kommen, einzelne Patientengruppen gegeneinander abwiegen zu müssen. Das ist zutiefst unethisch und auch rechtlich nicht vertretbar", so Professor Christoph Fuchs, Hauptgeschäftführer der BÄK.
Ärzte, so Fuchs, sollten nach einer strengen Indikationsstellung die benötigten Medikamente verordnen, ohne Ansehen der Person. Wie lange der Vorrat reicht, liege außerhalb ihres Verantwortungsbereichs.
Unstrittig sei demnach, daß Ärzte bei einer Pandemie allen Patienten, die innerhalb von 48 Stunden nach Beginn der Influenza-Symptome einen Arzt aufsuchen, antivirale Mittel verordnen. Strittig sei dagegen, wie Ärzte entscheiden sollen, wenn auch gesunde Personen zu Prä- oder Postexpositions-Prophylaxe die Medikamente verlangen - etwa Personen, die Erkrankte pflegen, oder Mitarbeiter in ärztlichen Praxen.
Dies würde den Bedarf an Neuraminidase-Hemmern erheblich ausweiten. Hier müßten Ärzte individuell entscheiden. "Die Verschreibung von antiviralen Mitteln zur Postexpositions-Prophylaxe wird dann umso leichter fallen, wenn die öffentliche Bevorratung erhöht oder sogar ausreichend ist", heißt es in der Stellungsnahme.
Eine gezielte Langezeitprophylaxe von symptomlosen Mitarbeitern von Verwaltungs,- Versorgungs- und Vollzugsbehörden wird von BÄK und KBV sehr kritisch betrachtet.
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