Pneumonie-Risiko mit vier Fragen erkennen

Konfusion, Atemfrequenz, Blutdruck, Alter: Dieser einfache Prognosescore hilft bei Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie, das Risiko abzuschätzen. Der CRB-65 genannte Score ist Teil der aktualisierten S3-Leitlinie.

Von Adela Zatecky Veröffentlicht:
Streptococcus pneumoniae - hier eine rasterelektronenmikroskopische Aufnahme - verursacht etwa jede zweite ambulant erworbene Pneumonie in Deutschland.

Streptococcus pneumoniae - hier eine rasterelektronenmikroskopische Aufnahme - verursacht etwa jede zweite ambulant erworbene Pneumonie in Deutschland.

© Roger Harris / Science Photo Library / Agentur Focus

HANNOVER. Eine multivariable Prognoseabschätzung ist bei der Beurteilung des Schweregrades einer ambulant erworbenen Pneumonie der richtige Zugang, so Professor Torsten T. Bauer vom Helios Klinikum Emil von Behring in Berlin. Einen solchen Zugang wählen Hausärzte seit jeher, wie Bauer erinnerte: "Sie gehen ins Zimmer, nehmen den Geruch wahr, fassen den Patienten an, nehmen das Fieber wahr, nehmen die Gesichtsfarbe wahr ..." - aus vielen Einzelfaktoren ergibt sich so die Gesamteinschätzung. Durch entsprechende multivariable Scores wurde also nichts weiter versucht, als diesen klassischen Zugang auf eine wissenschaftlich fundierte Ebene zu stellen.

Die wissenschaftliche Basis des "Risiko-Scorings" begann mit dem Pneumonia Severity Index (PSI). Der PSI wurde entwickelt, um anhand von 25 Variablen jene Pneumonie-Patienten zu identifizieren, die ambulant behandelt werden können. Schwere Verläufe werden aber auch mit diesem Score häufig übersehen, besonders bei jungen Menschen, da das Alter als Faktor zu sehr Gewicht hat, bemängelte Bauer. Und in der täglichen Praxis war der PSI wegen des Aufwands kaum zu etablieren.

In einer retrospektiven Analyse wurde gezeigt: Mit dem aus nur vier Parametern bestehenden CURB-Score kann nahezu die gleiche Voraussage-Sicherheit erreicht werden wie mit dem PSI. Seine vier Parameter sind mentaler Status, Atemfrequenz, systolischer Blutdruck und der Blutwert Urea-N. In der Folge löste der CURB den PSI immer mehr ab.

Während die drei klinischen Parameter leicht zu bestimmen sind, erwies sich der Laborwert Urea-N als die Achillesferse des CURB - schließlich liegt er, wenn er überhaupt bestimmt wird, erst zeitlich verzögert vor. Da die ärztliche Entscheidung, wie mit einem Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie zu verfahren ist, oft unmittelbar getroffen werden muss, fand die komplette CURB-Bestimmung nur bei etwa einem Drittel der Patienten statt.

Deswegen wurde weiter nach einem Score gesucht, der allein anhand klinischer Parameter eine gute Risikoabschätzung ermöglicht. Heraus kam der CRB-65, der außer den drei klinischen CURB-Parametern das Alter als vierten, leicht bestimmbaren Parameter berücksichtigt.

Analysen bestätigen, dass auch mit dem rein klinischen CRB-65 eine gute Risikoabschätzung möglich ist - "ohne Substanzverlust in der Entscheidungsqualität", betonte Bauer. Da er praktikabel und geradezu kostenneutral ist, wird er nun auch in der im Jahr 2009 aktualisierten S3-Leitlinie* zur ambulant erworbenen Pneumonie als Methode zur Risikostratifizierung empfohlen.

In der Praxis ist die Bestimmung des CRB-65-Scores einfach. Es wird jeweils ein Punkt bei Vorliegen der folgenden vier Kriterien vergeben:

  • "Confusion": Bewusstseinstrübung
  • "Respiratory Rate": Atemfrequenz über 30 / min
  • "Blood Pressure": diastolischer Blutdruck = 60 mmHg oder systolischer Blutdruck < 90 mmHg
  • "65": Alter über 65 Jahre.

Patienten mit einem Score von 0 haben nur ein minimales Letalitätsrisiko und können vorerst ambulant behandelt werden. Ab einem Score von 1 - wenn also nur ein Kriterium erfüllt ist - "sollte die Notwendigkeit einer stationären Einweisung erwogen werden", so die Leitlinie. Ab einem Score von 2 wird eine intensivierte stationäre Überwachung empfohlen.

Lesen Sie dazu auch: In die Klinik? Welches Antibiotikum? Das ist bei Pneumonie zu klären!

Leitlinien im Internet: www.pneumologie.de - unter Publikationen, dann Leitlinien

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