Infektionen

Mit Membranvesikeln tricksen Noroviren die Abwehr aus

Eine spezielle Strategie erklärt offenbar die hohe Infektiosität von Noro- und Rotaviren, berichten US-Forscher. Die Erreger tun sich in Clustern zusammen und entgehen getarnt in einem Membranvesikel der menschlichen Abwehr.

Wolfgang GeisselVon Wolfgang Geissel Veröffentlicht:
Illustration von Virus-Clustern in Membranvesikeln auf den Zotten der Darmschleimhaut.

Illustration von Virus-Clustern in Membranvesikeln auf den Zotten der Darmschleimhaut.

© National Institutes of Health

BETHESDA. Hochinfektiöse Viren von Magen-Darm-Infektionen schließen sich offenbar zu Clustern zusammen und verstecken sich in Membran-Vesikeln, um ähnlich wie in einem trojanischen Pferd der körpereigenen Abwehr des Menschen zu entgehen. Diese Strategie könnte die hohe Kontagiosität von Noro- und Rotaviren ebenso erklären, wie die Schwere der Erkrankungen mit diesen Erregern, berichten Forscher um Dr. Nihal Altan-Bonnet vom National Heart, Lung, and Blood Institute (NHLBI) in Bethesda im US-Staat Maryland (Cell Host & Microbe 2018; online 8. August). Die Wissenschaftler hoffen, dass sich mit den Erkenntnissen neuartige Virustatika entwickeln lassen.

Noro- und Rotaviren gehören weltweit zu den häufigsten Erregern von Gastroenteritis, heißt es in einer Mitteilung der US-National Institutes of Health, zu denen auch das NHLBI gehört. Millionen Menschen erkranken jedes Jahr daran. Die hohe Infektiosität der Erreger führt häufig unter beengten Verhältnissen wie auf Kreuzfahrtschiffen, in Schulen, Zeltlagern und Jugendherbergen sowie in Pflegeheimen zu schweren Ausbrüchen.

Gefahr für Kleinkinder: Brechdurchfall durch Viren

Die Folgen der Infektion sind in der Regel Brechdurchfall und schwere Bauchschmerzen. Vor allem bei kleinen Kindern und alten Menschen sind auch tödliche Verläufe möglich. Gegen Rotaviren gibt es einen wirksamen Impfschutz, der in Deutschland allen Säuglingen empfohlen wird.

Bisher war man der Meinung, dass Menschen von einzelnen Partikeln der Viren befallen werden, die sich dann bei der Infektion im Körper vermehren. Die Infektionen erfolgen fäkal-oral über winzige Tröpfchen aus dem Stuhl infizierter Menschen, die meist über kontaminierte Lebensmittel oder Getränke aufgenommen werden. Sorgfältiges Händewaschen mit Wasser und Seife nach dem Stuhlgang ist daher eine wichtige Maßnahme zur Prävention solcher Magen-Darm-Infektionen, betont das NIH in der Mitteilung.

Viren dringen als gemeinsames Paket ein

Im Stuhl von erkrankten Menschen sowie im Tiermodell fanden die Forscher jetzt Membranvesikel mit Clustern von bis zu 40 Viren. Es ließ sich zudem zeigen, dass die getarnten Vesikel mit den Erregern deutlich infektiöser waren als einzelne Viren aus den Stuhlproben.

Die hohe Kontagiosität der Erreger lag wahrscheinlich daran, dass mit den Vesikeln viele Viren auf einmal in die Zielgewebe gelangten, und dass zudem die Membranhülle die darin enthaltenen Viren vor einer Zerstörung durch Enzyme schützt. Zudem waren die Erreger durch die Tarnung für Antikörper im Stuhl und im Darm unsichtbar.

Durch die Zusammenlagerung der Erreger in Paketen mit Membranhüllen werde nicht nur die Verbreitung der Viren, sondern auch die Schwere der Erkrankungen enorm gesteigert, betonen die Forscher in der Mitteilung. Sollten sich die Befunde in größeren Studien bestätigen, dann könnten mit Wirkstoffen gegen die Clusterbildung sowie gegen die Vesikel gezielte Virustatika entwickelt werden.

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