Eine rasche Impfung von Kindern aus kinderreichen Familien bremst Influenza-Pandemie am stärksten

NEU-ISENBURG (mut). Kinder zu impfen ist der beste Schutz vor einer Pandemie. Bei begrenzten Impfstoffmengen lässt sich so die Influenza-Ausbreitung am effizientesten bremsen, hat eine aufwändige Computersimulation ergeben. Die Ergebnisse der Simulation werden durch Beobachtungen normaler Influenza-Epidemien bestätigt.

Kinder verlassen die japanische Internationale Schule in Düsseldorf. Dort erkrankten mehrere Schüler an H1N1.

Kinder verlassen die japanische Internationale Schule in Düsseldorf. Dort erkrankten mehrere Schüler an H1N1.

© Foto: dpa

Wer wird bei einer schweren Influenza-Pandemie als erstes geimpft oder mit Medikamenten behandelt? Der nationale Pandemieplan sieht zunächst vor, Ärzte, Krankenschwestern, Polizisten, Feuerwehrleute und all diejenigen zu versorgen, die für die Aufrechterhaltung der Ordnung und das Funktionieren der Infrastruktur zuständig sind. Aber auch Menschen, die das Virus besonders effektiv verbreiten, sollten laut Plan bevorzugt behandelt werden. Und das sind nach Daten einer Computersimulation vor allem Kinder.

Britische Forscher aus Warwick haben die Ausbreitung eines pandemischen Influenza-Virus in Großbritannien für über 10 000 Bezirke simuliert. Wie erwartet, breitete sich das Virus am stärksten in dicht besiedelten Regionen aus. Diese sollten daher zunächst mit Medikamenten und Impfstoffen versorgt werden. Dabei zeigte sich: Eine zufällige Impfung von Personen oder Impfung ganzer Haushalte war bei begrenzten Ressourcen wenig effizient, denn das virtuelle Virus verbreitete sich am schnellsten über große Haushalte mit vielen Kindern. Den besten Schutz bot in der Simulation eine Immunisierung von Kindern in genau diesen Haushalten: Durch die Herdenimmunität wurden auch die Eltern und Kontaktpersonen geschützt. Die Impfung von Kindern in kinderreichen Haushalten war in allen außer 9 der 10 000 simulierten Bezirken die effizienteste Methode, um die Ausbreitung des Virus zu bremsen (Epidemiol Infect 137, 2009, 654).

Die Ergebnisse der Simulation werden auch von Daten aus Japan bestätigt: Nach der Pandemie von 1957 hatte man dort konsequent Schüler gegen Grippe geimpft, und von 1977 bis 1987 sogar eine Impfpflicht erlassen. In dieser Zeit war die Zahl der Influenza- und Pneumonie-bedingten Todesfälle um 10 000 bis 12 000 pro Jahr verringert. Nach dem Ende des Programms 1994 stieg sie wieder drastisch an.

Inzwischen haben mehrere Unternehmen mit der Produktion einer Vakzine gegen das neue H1N1-Virus begonnen. Die WHO hat allerdings noch keine Empfehlungen zur Impfung gegeben. Eine Entscheidung wird Anfang Juli erwartet. Unabhängig davon haben einige Staaten bereits Pandemie-Impfstoff geordert - Frankreich allein 100 Millionen Dosen. In Deutschland wird der Impfstoff bei Bedarf von den Bundesländern bestellt. Wie das thüringische Gesundheitsministerium auf Anfrage der "Ärzte Zeitung" berichtete, wurde für Deutschland noch kein Pandemieimpfstoff geordert. Allerdings gebe es Absprachen mit Impfstoffherstellern, die Deutschland bei einer Pandemie eine ausreichende Menge an Impfstoff zusichern. Thüringen hat derzeit den Vorsitz der Gesundheitsministerkonferenz der Länder.

Pandemie-Plan für Deutschland Im Fall einer Grippepandemie stehen voraussichtlich weder genug Therapeutika zur Verfügung stehen, noch die Kapazitäten zur Entwicklung von genügend Impfstoff. Daher wird im Nationalen Influenza-Pandemieplan empfohlen, die Abgabe der Medikamente zu priorisieren. "Diese Entscheidungen müssen bundesweit nach einer einheitlichen Praxis gefällt und im gesellschaftlichen Konsens getroffen werden", heißt es in dem Plan, den Experten am Robert-Koch-Institut entwickelt haben. Die Abgabe der Medikamente kann unter drei Aspekten erfolgen: Politisch-sozialer Aspekt: Um ein Zusammenbrechen der medizinischen Versorgung, der staatlichen Infrastruktur und der Wirtschaft zu verhindern, müßten medizinisches Personal, Beschäftigte, die für die öffentlichen Ordnung zuständig sind, sowie Berufstätige versorgt werden. Maximale Reduktion der Krankheitslast: Die Versorgung richtet sich danach, wie Letalität, die potentielle Zahl der Toten und der wirtschaftliche Nutzen gewichtet werden. Je nachdem müßten zunächst Ältere und Kinder, Erwachsene unter 60 oder Kinder versorgt werden. Epidemiologisch-dynamischer Aspekt: Bevölkerungsgruppen, die dem höchsten Infektionsrisiko ausgesetzt sind und die die Infektion am schnellsten verbreiten, werden zuerst versorgt. (hak)

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