Hoffnung für TB-Patienten in Südafrika

KAPSTADT. Tuberkulose (TB) ist in Kapstadt ein großes Problem. Oft trifft die Krankheit HIV-infizierte Menschen.

Von Thomas Grether Veröffentlicht:

Mehr als die Hälfte seines Lebens war Abimb im Krankenhaus. Dabei ist er erst zweieinhalb. Er ist es gewöhnt, Spritzen zu bekommen. Doch heute ist nicht sein Tag, er weint leise vor sich hin, als die Krankenschwester in der Tuberkulose-Ambulanz des Guguletto-Hospitals in Kapstadt ihm Capreomycin spritzt. Bei seiner Mutter ist die multiresistente Tuberkulose (MDR-TB) schon ausgeheilt; Abimb hat sich gleich nach der Geburt angesteckt. Der Vater und die zwei Jahre älteren Schwestern blieben von der Krankheit verschont. Sie gehören zu den Privilegierteren im Township im Kapstadter Stadtteil Klipfontein. Der Friseurladen in einer Blechbaracke wirft soviel ab, dass sie mit ihrem Ford Granada, Baujahr 74, ihren Sohn in die Klinik fahren können. Die Behandlung für Abimb zahlt der Staat. Obwohl Südafrika im Vergleich zu europäischen Verhältnissen bitterarm ist. In Klipfontein etwa leben über 70 Prozent der Bewohner in einem Haushalt, dem statistisch 1900 Euro zur Verfügung stehen - im Jahr. Mehr als die Hälfte der Bewohner ist arbeitslos.

Patente werden an Generika-Hersteller übertragen

Dass sich die junge Republik Südafrika dennoch eine für die Patienten kostenlose TB-Behandlung leisten kann, liegt auch am Engagement von Lilly. Das US-Pharma-Unternehmen, das in Deutschland 1300 Menschen beschäftigt, hat seine Patente für die Antibiotika Capreomycin und Cycloserin unentgeltlich an den südafrikanischen Generika-Hersteller Aspen übertragen.

Beide Substanzen gehören zu den "Second Line Drugs" gegen MDR-TB. "Wenn sich Resistenzen gebildet haben gegen die Erstrang-Medikamente, sind diese Pharmaka überlebenswichtig", erklärt Dr. Sabine Rüsch-Gerdes. Die TB-Spezialistin ist Leiterin des deutschen Referenzzentrums für Mykobakterien am Forschungszentrum Borstel. Die zwei Antibiotika seien zwar schon alt, aber in den Ländern des südlichen Afrikas und in Russland, in denen weltweit die meisten Fälle der MDR-TB vorkommen, seien sie zuvor nicht erhältlich gewesen.

Ein Glück für Abimb und seine Mutter - und auch für alle anderen TB-Infizierten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass sich pro Jahr acht bis neun Millionen Menschen neu mit Tuberkulose infizieren. Davon erkranken immerhin acht Prozent an den multiresistenten Stämmen des stäbchenförmigen Erregers der Familie Mycobacteriacea.

Diese können dann nur mit einem ganzen Cocktail verschiedener Antibiotika bekämpft werden, wie Dr. Gail Cassell, Vice President Infectious Diseases von Lilly Pharma vor Journalisten in Kapstadt erklärte. Bis zur völligen Gesundung vergingen nicht selten zwei Jahre. Für Stavros Nicolaou, Senior Executive beim Generika-Hersteller Aspen in Port Elizabeth ist die Lizenzfreigabe von Lilly nicht nur Hilfe für seine Wahlheimat, sondern auch eine Geschäftschance. Die neue Fabrik des gebürtigen Zyprioten, in der pro Jahr vier Milliarden Cycloserin-Kapseln fürs südliche Afrika produziert werden, untersteht dabei ständigen Qualitätschecks von Lilly.

Schulungen für Krankenschwestern

Das Pharmaunternehmen hat zudem eigenen Angaben zufolge aus humanitären Gründen insgesamt 120 Millionen US-Dollar in das MDR-TB-Programm gepumpt. Und sich insgesamt 14 Partner aus der internationalen Gesundheitswirtschaft geholt.

Dazu gehört auch der International Council of Nurses (ICN), ein Zusammenschluss von 13 Millionen Krankenschwestern aus 129 Ländern. Die Krankenschwestern haben ein MDR-TB-Internet-Training für alle Mitglieder gegründet. Die geschulten Krankenschwestern geben darin ihr Wissen an ihre Kolleginnen weiter, sagte ICN-Sprecherin Linda Carrier-Walker im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Tuberkulose in Zahlen

Gut 80 Prozent aller an die WHO gemeldeten Patienten, die an Tuberkulose (TB) erkrankt sind, werden in 23 Ländern der Welt nachgewiesen. Täglich sterben 5500 Menschen an TB, jährlich zwei Millionen. Die WHO schätzt, dass pro Jahr acht bis neun Millionen Menschen neu an Tuberkulose erkranken - Russland und die ehemaligen Sowjetrepubliken sind besonders betroffen. Etwa ein Drittel aller Menschen tragen das Mycobacterium tuberculosis in sich - in Südafrika dürften es mehr als drei Viertel sein. Nur fünf bis zehn Prozent der Erregerträger erkranken letztlich an Tuberkulose, weil das Immunsystem geschwächt ist - etwa durch eine HIV-Infektion. Tuberkulose ist daher Todesursache Nummer eins von Aidskranken in Afrika. Doch selbst in Mitteleuropa treten jährlich tausende Fälle auf. Nach Angaben des Berliner Robert-Koch-Instituts hat es 2005 in Deutschland 6045 Tuberkulose-Fälle gegeben.

Schlagworte:
Mehr zum Thema

Multiresistente Tuberkulose

„Spannende Zeiten“ in der Tuberkulose-Therapie

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Dr. Iris Dötsch Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologin und Ernährungsmedizinerin hat die Hauptstadtdiabetologinnen, eines neues Netzwerk für Frauen in der Diabetologie, gegründet.

© snyGGG / stock.adobe.com

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen