Schmerzende Schulter - "Reis" im Gelenk
Über den seltsamen Fund reiskornartiger Gelenkkörper in der stark geschwollenen Schulter eines russischen Patienten berichten Kollegen vom Uniklinikum Bochum. Er ist ein Beispiel dafür, dass bei Osteuropäern Manifestationen einer Tuberkulose vorkommen. Denn der Auslöser war Mycobacterium tuberculosis.
Veröffentlicht:In den Röntgenaufnahmen der linken Schulter erkennt man den ausgeprägten Humeruskopfhochstand bei lytischen Veränderungen am Akromion.
Von Thomas Meißner
BOCHUM. Reiskornartige Gelenkkörper fanden Kollegen in der stark geschwollenen Schulter eines 79-jährigen russischen Patienten. Der seltsame Fund erinnert daran, dass gerade bei Osteuropäern immer mal wieder mit Manifestationen einer Tuberkulose gerechnet werden muss.
Denn obwohl dem Mann keine Tuberkulose (Tbc) in der Vergangenheit bekannt war und lokale sowie systemische Manifestationen einer Infektionserkrankung fehlten, identifizierten Pathologen Mycobacterium tuberculosis als Auslöser der Schulterbeschwerden.
Das berichten Dr. Matthias Königshausen vom BG-Klinikum Bergmannsheil der Uni Bochum und seine Kollegen (Orthopäde 38, 2009, 1106).
In der T2-gewichteten MRT-Untersuchung mit Kontrastmittel sind multiple hypointense "Reiskörner"-Formationen intraartikuär sowie subakromial sichtbar. Die Präzipitate innerhalb des Ergusses nehmen kein Kontrastmittel auf.
Der Patient hatte seit drei Wochen starke Beschwerden in der linken Schulter, leichte Schmerzen bestanden allerdings schon in den Jahren zuvor. Die Schulter war deutlich geschwollen und bei allgemeiner Muskelatrophie schmerzbedingt kaum beweglich.
Entzündungszeichen fanden sich nicht. In der Sonographie und Magnetresonanztomografie fielen die freien reiskornartigen Gelenkkörper auf, die Rotatorenmanschette war komplett gerissen. Nach einer diagnostischen Punktion des Gelenks ging es dem Patienten zunächst besser.
Die freien Gelenkkörper entfernten Königshausen und seine Kollegen arthroskopisch. Dabei stellte sich heraus, dass auch die lange Bizepssehne gerissen war.
Die histologische Untersuchung des intraartikulären Befundes der linken Schulter ergibt die fibrinöse Exsudation mit dem Nachweis von mehreren epitheloidzelligen Granulomen (HE-Färbung).
Drei Monate nach der Entlassung hatte sich erneut ein massiver Erguss gebildet. Die ausgeprägte Entzündung betraf sowohl die Synovia als auch den Knochen am Kapselansatz. Diesmal entfernten die Bochumer in einer offenen Op mehrere hundert Gramm der Gelenkkörperchen.
Teile der Klavikula und des Akromions mussten reseziert werden. Dass eine Tbc Ursache sein musste, konnte allein aus der histologischen und der molekularbiologischen Untersuchung geschlossen werden, bei der ein Genfragment des Mycobacterium tuberculosis amplifiziert wurde.
Bei etwa einem bis drei Prozent der Tbc-Patienten manifestiert sich die Infektion im muskuloskelettalen Gewebe. Differenzialdiagnostisch kommen andere Ursachen einer Reiskornsynovitis in Betracht, etwa die Rheumatoide Arthritis, die Psoriasis-Arthritis oder M. Bechterew.
Links: "Reiskörperchen" unterschiedlicher Größe fanden sich im Gelenkraum und in den assoziierten Gelenkbursen. Rechts: Die "Reiskörperchen" nach operativer Entfernung aus dem Schultergelenk in einer Schale.
Wie die Gelenkkörper entstehen, ist unklar. Vermutet wird unter anderem, dass sich Fragmente von hypertrophierten Synovialzotten abkapseln. Die Körperchen werden nicht in der Synovialflüssigkeit phagozytiert.