Neue Methode

Der Durchbruch in der Tuberkulose-Therapie?

Antibiotika-Resistenzen bei Tuberkulose-Erregern werden bisher mit langwierigen Kultivierungsverfahren geklärt. Forscher haben jetzt ein neues Verfahren entwickelt, das die Behandlung revolutionieren könnte.

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Dr. Thomas Kohl vom FZB bereitet eine Genomsequenzierung vor.

Dr. Thomas Kohl vom FZB bereitet eine Genomsequenzierung vor.

© Deutsches Zentrum für Infektionsforschung/scienceRELATIONS

BORSTEL. Von einem Durchbruch in der Tuberkuloseforschung sprechen Wissenschaftler des Forschungszentrums Borstel (FZB). Sie haben in einem internationalen Team ein Verfahren entwickelt, mit der Erbgutanalysen des Tuberkulose (Tb)-Erregers als Schlüssel für eine optimale Behandlung genutzt werden können.

Mit der neuen genetische Methode lässt sich voraussagen, gegen welche Antibiotika Resistenzen bestehen und welche Präparate gegen einen von einem Patienten isolierten Tb-Erreger wirksam sind (Lancet Infectious Diseases 2015, online 24. Juni).

An den Arbeiten waren zudem Forscher des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung, des Oxford Biomedical Research Centre und des South African National Institute for Communicable Diseases beteiligt.

Zeitaufwändige Kulturverfahren

Bisher erfolgt der Nachweis von Tb-Erregern und die genaue Ermittlung von Antibiotikaresistenzen in Kulturverfahren, heißt es in einer Mitteilung des Forschungszentrums Borstel. Bei diesem Verfahren dauert es bis zu sechs Wochen, bis ein Ergebnis vorliegt.

Wertvolle Zeit, die häufig eine effektive Behandlung verzögert.

Zudem sind die Kulturverfahren fehleranfällig. Sie müssen sehr präzise sein, um verlässliche und vergleichbare Ergebnisse zu erhalten. Solche optimalen Laborbedingungen sind jedoch insbesondere in Entwicklungsländern mit hohen Tuberkuloseraten oft nicht vorhanden.

 Auch die in den letzten 20 Jahren eingesetzten molekulardiagnostischen Schnelltests können lediglich eine Aussage über eine begrenzte Anzahl von Mutationen und die daraus resultierenden Resistenzen treffen.

"Wir wollten einen Schritt weitergehen und therapeutische Hinweise geben, welche Kombination von Antibiotika sich zur Behandlung eines bestimmten Erregers eignen", wird Professor Stefan Niemann, Leiter der Abteilung Molekulare Mykobakteriologie des Zentrums, in der Mitteilung zitiert.

Bei dem neuen Ansatz "bewegten wir uns dazu von 130 Jahren Tb-Kultivierung zu einer neuen, digitalen Ära in der Mikrobiologie."

Dazu untersuchte das Team mittels Gesamtgenomsequenzierung das Erbgut von etwa 3500 Tb-Stämmen. Die Forscher konzentrierten sich dabei auf Veränderungen im Erbgut, die sie mit Antibiotikaresistenzen und -Empfindlichkeit in Verbindung bringen können.

"Wir haben eine Art Lexikon für Mutationen im Erbgut der Tb-Erreger ermittelt", erklärt Niemann. "Findet man Veränderungen im genetischen Code eines Erregers, sind bestimmte Medikamente nicht mehr wirksam und sollten daher nicht für die Therapie verwendet werden. Das ist ein enormer Fortschritt, insbesondere für die Behandlung von multiresistenten Erregern!"

Bis die Methode im Alltag von Medizinern angewendet werden kann, wird es aber noch etwas dauern. Dennoch habe die Methode großes Potenzial, glaubt Dr. Thomas Kohl, Zweitautor der Studie.

"Auf längere Sicht ist die Genomanalyse erheblich einfacher durchzuführen und kostengünstiger als konventionelle Verfahren. Vor allem im Hinblick auf die EndTB-Strategie der WHO, die vorsieht, dass die Tuberkulose bis 2035 erfolgreich eliminiert werden soll, sind diese neuen diagnostischen Ansätze von großer Bedeutung."

Jedes Jahr 1,5 Millionen Tb-Tote

Tuberkulose (Tb) ist die weltweit häufigste tödliche Infektionskrankheit. Nach Schätzungen ist etwa ein Drittel der Menschen weltweit mit dem Erreger infiziert. Bei den meisten Betroffenen bricht die Tuberkulose aber nie aus.

Pro Jahr erkranken neun Millionen Menschen an Tb - etwa 1,5 Millionen sterben an den Folgen. Insbesondere die stark zunehmenden Antibiotikaresistenzen der Erreger sind dabei ein immenses Problem. Diese verlängern die Behandlungsdauer erheblich und verursachen hohe Kosten. (eb/eis)

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