Neue Bestrahlungstechnik schont gesundes Gewebe

TÜBINGEN (ars). 45 Prozent der Krebspatienten können heute dauerhaft geheilt werden. Diesen Anteil deutlich zu erhöhen, das ist das ehrgeizige Ziel, das sich die Radioonkologen für die nahe Zukunft gesetzt haben. Erreichen können sie diesen bedeutenden Fortschritt mit der Intensitätsmodulierten Strahlentherapie (IMRT), die jetzt während des 26. Deutschen Krebskongresses in Berlin auch einem breiten Publikum vorgestellt wurde.

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Als erste deutsche Universität soll nun das Tübinger Uniklinikum eine Einrichtung eigens zu dem Zweck bekommen, diese Therapieform zu verbessern: das "Forschungszentrum für Hochpräzisionsbestrahlung und intraoperative Navigationstechniken". Baubeginn war im November 2003, bis zum Frühjahr 2005 soll es fertiggestellt sein.

Doch bereits seit 1997 befaßt sich in Tübingen eine Arbeitsgruppe mit der IMRT, wie der Radioonkologe Professor Wilfried Budach bei einer Veranstaltung aus Anlaß des Spatenstichs in Tübingen erläuterte. Damit wollen die Wissenschaftler dem Tumor eine möglichst hohe Dosis verabreichen, zugleich aber das umliegende Gewebe weitgehend schonen.

Bisher besteht bei jenen 60 Prozent der Krebspatienten, die eine Strahlentherapie bekommen, das Dilemma darin, daß sich beides meist nicht vereinbaren läßt. Wählt man die Dosis von 60 bis 80 Gray, die notwendig ist, den Tumor zu zerstören, schädigt der Photonenstrahl auch das Gewebe, das er auf seinem Weg durch den Körper durchquert. Wählt man umgekehrt eine niedrige Dosis, um solche Nebenwirkungen auszuschließen, verringern sich die Heilungschancen.

Einen Ausweg aus dieser Zwickmühle bietet die IMRT. Denn damit lassen sich sowohl die Form als auch die Intensität des Strahlungsfeldes variieren, jeweils genau an den einzelnen Tumor angepaßt. Seit etwa einem Jahr sind die Methoden so verfeinert, daß die Therapie täglich zwei bis drei Patienten zugute kommt, freilich bislang nur solchen, bei denen alle herkömmlichen Methoden versagen.

Denn noch ist die Prozedur äußerst aufwendig. Zunächst geben die Radioonkologen die klinischen Daten vor, wie Konturen des Tumors und der Risikoorgane, die Solldosis im Tumor und die Höchstgrenze dessen, was die Nachbarorgane gerade noch vertragen. Der Computer ermittelt dann mit einer speziellen Software die bestmöglichen Parameter. Bis zu einer Stunde kann es dauern, bis der Patient richtig gelagert, das Bestrahlungsfeld genau berechnet und markiert ist, die Geräte justiert sind.

Doch der Aufwand lohnt sich: Zum Beispiel können dank der IMRT bei Bestrahlung von Tumoren nahe der Wirbelsäule Querschnittslähmungen vermieden werden. Weitere Beispiel: Verhinderung von Mundtrockenheit durch Parotis-Schädigung, wie sie sonst nach Bestrahlung von Geschwulsten in Hals oder Kopf vorkommen können. Seltener treten ferner Entzündungen des Enddarms und häufiger Stuhlgang nach einer Prostata-Bestrahlung auf oder Herzschäden.

Gerade kardiale Funktionsstörungen verursachen bei Patienten, die wegen Lungen- oder Brustkrebs bestrahlt wurden, langfristig eine Übersterblichkeit. Anwendungsgebiete der IMRT sind aus diesem Grund besonders Tumoren in oder an empfindlichen Strukturen wie Prostata, Kopf, Hals, Nase und Ohren, Rückenmark oder Sehnerv.

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