Forschung hält viele Optionen gegen Krebs bereit

Krebsforschung ist heute erfolgreicher denn je, nicht zuletzt aufgrund der molekularbiologisch gewonnenen Erkenntnisse. In kurzer Zeit können neue Medikamente verfügbar sein. Die dritte Folge unserer fünfteiligen Serie beleuchtet heute die Forschung, eines der Themen in der Ausstellung "Der Europäische Zug gegen Krebs".

Peter LeinerVon Peter Leiner Veröffentlicht:

Forschungen in der Molekularbiologie und -genetik sowie in der Immunologie tragen erheblich dazu bei, neue Therapieansätze gegen Krebs zu finden. Die Entwicklung der Tyrosinkinase-Hemmer und der Antisense-Moleküle gegen RNA belegen den Erfolg dieser Forschung. Daran wollen Krebsforscher auch mit anderen Hemmstoffen wie Antikörper anknüpfen.

Mit welchen Mitteln Forscher den Krebs besiegen wollen, kann man in der Wanderausstellung "Der Europäische Zug gegen Krebs" erkunden, die heute noch in Hamburg-Altona - zum letzten Mal in Deutschland - zu sehen ist. Die Ausstellung ist eine Initiative des Pharma-Unternehmens Aventis. Deutsche Partner sind unter anderen die "Ärzte Zeitung" und die Deutsche Krebsgesellschaft.

Forscher halten weiter an der Gentherapie gegen Krebs fest

Am weitesten fortgeschritten unter den onkologischen Forschungsprojekten, wenn auch noch lange nicht optimiert, ist die Gentherapie. Damit wird entweder versucht, das Immunsystem spezifisch zu aktivieren, damit es gezielt die Tumorzellen tötet. Oder es werden Gene - Suizid-Gene - in die entarteten Zellen geschleust, die nach der Zugabe einer Medikamentenvorstufe helfen, die Zelle in die Apoptose zu treiben.

Vor allem gegen solide Tumoren wird versucht, Impfstoffe zu entwickeln. Die Zulassung für einen Impfstoff für Patienten mit Nierenzellkarzinom nach einer radikalen Nephrektomie ist bereits beantragt worden. In ersten Studien mit der Vakzine wurde eine relative Risikoreduktion um knapp 33 Prozent erzielt.

Das die Ausstellung unterstützende Unternehmen Aventis entwickelt derzeit einen therapeutischen Impfstoff gegen kolorektale Karzinome: Der Impfstoff ALVAC-CEA B7.1 soll T-Zellen und Antikörper induzieren, die gegen Tumoren mit dem Marker CEA gerichtet sind. Schließlich wird in Tübingen und Heidelberg - wie gemeldet - ein Impfstoff gegen Brustkrebs entwickelt. Das Projekt wird von der Deutschen Krebshilfe unterstützt.

Den inzwischen erfolgreich eingeschlagenen Weg, gezielt molekularbiologische Erkenntnisse für die Entwicklung neuer Medikamente zu nutzen - Beispiele sind der Tyrosinkinase-Hemmer Imatinib und der EGFR-Wachstumsfaktor-Hemmer Gefitinib - setzen die Forscher intensiv fort. Sie konzentrieren sich dabei allgemein auf Kinase-Hemmer. Kinasen sind Enzyme, die als Schlüsselmoleküle bei der Krebsentstehung erkannt wurden.

Von den Kinase-Hemmern sind mehr als 30 in der klinischen Entwicklung. Dazu gehören monoklonale Antikörper, kleine Moleküle wie Imatinib, Antisense-Moleküle, die Gene abschalten, oder Hemmstoffe der Farnesyltransferase. Dieses Enzym ist Teil einer Signalkaskade ins Zellinnere: Am Ende werden Gene für die ungehemmte Zellvermehrung angeschaltet.

Auch der Erfolg mit Taxanen wie Docetaxel (Taxotere®) gegen nichtkleinzelliges Bronchial-Karzinom und Brustkrebs, die in die Zellteilung durch Verklumpung der Mikrotubuli eingreifen, soll ausgebaut werden. Neues Ziel sind hier Aurora-Kinasen - Enzyme, die ebenfalls Mikrotubuli während der Zellteilung stabilisieren. Aventis entwickelt dieses Konzept mit den Taxoiden LIT-976, 109,881 und 116,258 weiter.

Schließlich versuchen Forscher, den Blutstrom zum Tumor zu drosseln, um den Tumor gewissermaßen auszuhungern. Dazu nutzen sie Angiogenese-Hemmer wie Endostatin oder Substanzen gegen VEGF oder dessen Rezeptor. VEGF ist der Wachstumsfaktor für Gefäßendothelzellen, der neoangiogenetisch wirkt. Sein Rezeptor ist ebenfalls eine Tyrosinkinase. Gegen VEGF werden Antikörper wie Bevacizumab entwickelt. Tyrosinkinase-Hemmer sind niedermolekulare Moleküle.

Große Hoffnungen werden in die RNA-Interferenz gesetzt

Nicht zuletzt das Enzym Telomerase könnte sich als Therapieziel lohnen. In Krebszellen ist es aktiv und verhindert den Zellteilungsstop. Hemmer des Enzyms sollen die biologische Uhr wieder korrigieren.

Ein mit großen Hoffnungen verknüpftes Konzept ist das der RNA-Interferenz (siRNA): Mit doppelsträngiger siRNA gelingt es, die Boten-RNA gezielt zu spalten. Damit erhoffen sich die Forscher, auch jene Strukturen zu erreichen, die durch kleine Moleküle oder Antikörper nicht erfaßt werden. Bisher war es schwierig, solche siRNA in die Zellen zu bringen. Mit Viren als Genfähren erhoffen sich die Forscher mehr Erfolg.

Ribonukleinsäure ist generell zu einem begehrten Ziel der Forscher geworden, vor allem jenes Molekül, das wie ein Bote die Bauanleitung für Proteine aus dem Zellkern in das Zellplasma schleppt, die Boten-RNA. Antisense-Moleküle binden an diese RNA und zerstören so den Bauplan für ein Eiweiß. Die Zulassung für das erste Präparat für Krebspatienten ist jetzt in den USA beantragt: Oblimersen (Genasense®) von Aventis als Erstlinientherapie - kombiniert mit Dacarbazin - bei Hautkrebs.

Neuer Zell-Zyklus-Hemmer ist bereits in der klinischen Prüfung

Bereits klinische Studien begonnen wurden mit dem pflanzlichen Hemmstoff Flavopiridol, ein Zellzyklus-Hemmer. Die Substanz wurde in Zusammenarbeit mit dem US National Cancer Institute und dem Unternehmen Aventis entwickelt.

Das Präparat beeinflußt den Zellzyklus und die Apoptose und macht offenbar Zellen auch sensitiver für eine Bestrahlung. Möglicherweise wird die Reparatur von DNA-Schäden unterbunden. Auch die Tauglichkeit von Hemmstoffen der Tyrosinkinase, von zyklinabhängigen Kinasen und des Onkogens bcl wird bei dem Unternehmen überprüft.

Ein sehr erfolgversprechender Ansatz in der Onkologie ist, die etablierten Zytostatika mit den neuen Medikamenten zu kombinieren, wie Dr. Thomas Büchele, Leiter der Klinischen Forschung Onkologie bei dem Unternehmen sagt. Damit können die Wirksamkeit der Therapie verbessert und unerwünschte Wirkungen verringert werden.

Weitere Infos zum Zug unter http://www.zuggegenkrebs.com

Lesen Sie dazu auch: Viele Krebspatienten sind auf der Suche nach Information

 

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