Teilleber-Lebendspende erhöht Lebenserwartung bei Lebertumoren

Bei Patienten mit hepatozellulärem Karzinom stimmt das Tumorstaging nach der Explantation der Leber häufig nicht mit dem präoperativen Tumorstaging überein, wie eine Untersuchung ergeben hat. Das bedeutet, daß aufgrund dieser ungenauen Diagnostik das Tumorstadium überschätzt werden kann und die Betroffenen folglich nicht auf die Warteliste für eine neue (postmortale) Leber kommen. Patienten, die einen Lebendspender haben, könnte daher, unter Berücksichtigung bestimmter Kriterien, eine Lebertransplantation angeboten werden.

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Nicola Siegmund-Schultze

Letztes Jahr haben in Deutschland 881 Patienten mit Leberversagen ein neues Organ erhalten. Zwar konnte die Zahl der Lebertransplantationen in den vergangenen Jahren gesteigert werden: Im Jahr 2000 waren es 100 Lebertransplantationen weniger als 2004. Sehr viel schneller jedoch stieg die Zahl der Neuanmeldungen, so daß die Diskrepanz zwischen Warteliste und verfügbaren Organen größer geworden ist. Ein Kriterium für die Vergabe der knappen postmortal gewonnenen Organe ist - außer der Dringlichkeit - daher die Erfolgsaussicht, also das Überleben / krankheitsfreie Überleben des Patienten.

Eine korrekte Diagnose zu stellen und damit über das Schicksal des Patienten zu entscheiden (‚Kommt er auf die Warteliste oder nicht?‘), ist jedoch oft schwierig, sagte in Berlin Professor Christoph Broelsch, der die Klinik für Allgemein- und Transplantationschirurgie an der Universität Essen leitet. Zum Beispiel beim hepatozellulären Karzinom (HCC), das unter bestimmten Voraussetzungen eine Indikation zur Lebertransplantation ist. Hier hat das Team um Broelsch an 70 Lebern von HCC-Patienten das Tumorstaging nach der Explantation des Organs mit dem präoperativen Tumorstaging verglichen und festgestellt, daß die Ergebnisse nur zu etwa 40 Prozent übereinstimmten. "Der Tumor war entweder weniger fortgeschritten oder weiter, als dies vor Explantation des Organs zu erkennen war", so Broelsch.

Dieser diagnostischen Ungenauigkeiten wegen hält es Broelsch für gerechtfertigt, HCC-Patienten, die einen Lebendspender haben, eine Lebertransplantation unter erweiterten Kriterien anzubieten. Die Kranken kommen einen Tag vor der geplanten Organübertragung pro forma auf die Warteliste für ein postmortales Organ.

Bei der erweiterten Indikation für die Teilleber-Lebendspende ist der Ausschluß von extrahepatischem Tumorbefall von entscheidender Bedeutung. Die Kriterien in Essen sind

  • Erkrankungsstadium des Patienten in Child-Pugh-Stadium A oder B (gute oder mäßige Leberfunktion).
  • MELD-Score (Model End Stage Liver Disease) unter 23. Mit dem MELD-Score wird anhand von drei einfach meßbaren Kriterien - Kreatinin, INR (international normalized ratio), Bilirubin - eine Punktzahl (Maximalwert: 40) errechnet.
  • Keine makroskopische Infiltration des Tumors in große Lebergefäße wie der Portalvene.
  • Lebertumormarker Alpha-Fetoprotein (AFP) unter 500 IU / ml Serum und kein wesentlicher Anstieg des Tumormarkers in einem Beobachtungszeitraum von drei Monaten.
  • Alter des Empfängers < 65 Jahre.

23 Tumorpatienten, 18 mit HCC, die übrigen mit anderen Tumoren, sind in Essen unter diesen erweiterten Kriterien operiert worden, 20 von ihnen (85 Prozent) überlebten im Mittel zwei Jahre. Den Erfahrungen in Essen und anderer Zentren zufolge leben 50 bis 60 Prozent bis zu fünf Jahre. Dies ist für Patienten, die ohne Transplantation zum Teil eine Lebenserwartung von wenigen Monaten hätten, ein durchaus akzeptables Ergebnis, sagte Broelsch. Weitere Studien seien aber notwendig, um jene Patienten besser charakterisieren zu können, die von der Transplantation längerfristig profitierten.

Bei einem primären Transplantatversagen - es ist nach Aussage von Broelsch bei der Teilleber-Lebendspende sehr selten - haben EU-Bürger die Möglichkeit, über die Vermittlungsstelle Eurotransplant in Leiden / Niederlande ein postmortales Organ zu bekommen.

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