INTERVIEW

Krebskranke brauchen festen Ansprechpartner

NEU-ISENBURG. Kommunikation ist in der Medizin - auch in der Onkologie - das A und O. Dies gilt nicht nur zwischen Ärzten und ihren Patienten, sondern auch für die Kommunikation der Ärzte untereinander. So plädiert Professor Kurt Possinger von der Charité Berlin im Gespräch mit Beate Grübler, Mitarbeiterin der "Ärzte Zeitung", zum Beispiel für regelmäßige Fallbesprechungen im größeren Kreis, was die Entscheidungen erleichtern könne. Onkologen sind zu Teamplayern geworden, weil das heute gar nicht mehr anders geht, sagt Possinger.

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Ärzte Zeitung: Herr Professor Possinger, muß in der Onkologie die Kommunikation verbessert werden?

Possinger: Das Thema Krebs als solches ist ja schwierig - wer mit Patienten darüber reden will, muß Zeit, Ehrlichkeit und Kompetenz mitbringen. Es geht also zunächst darum, die Kommunikation zwischen Arzt und Patient zu verbessern. Krebskranke müssen im Gespräch mit dem Arzt weitreichende Entscheidungen für oder gegen eine Therapie treffen. Sie erwarten zu recht, daß ihnen der Arzt gut vorbereitet und informiert gegenüber sitzt - ob das in Einzelpraxen mit hohem Patientenaufkommen immer der Fall ist, sei dahingestellt.

Ich bedauere insofern die von der Politik gewollte Dezentralisierung in der Medizin, etwa die Auflösung von Polikliniken. Vielleicht wäre mancher Patient in einem onkologischen Zentrum, einer größeren Gemeinschaftspraxis oder einer Poliklinik besser aufgehoben.

Ein weiterer Vorteil größerer Zentren hängt ebenfalls mit der Kommunikation zusammen - wo viele Ärzte zusammenarbeiten, kommt auch viel Kompetenz zusammen und - im positiven Fall - ein sehr gewinnbringender Austausch unter Kollegen. Die Krebstherapie ist so komplex geworden, daß sich im Regelfall mehrere Spezialisten um einen Patienten kümmern sollten, und nicht der Patient von Arzt zu Arzt wandern muß.

Ärzte Zeitung: Onkologen sind also Teamplayer und keine Einzelkämpfer?

Possinger: Ja, weil das heute gar nicht mehr anders geht. Die Therapien ändern sich ständig und sind sehr zielgerichtet, das bedeutet aber auch eine individualisierte Therapie. Was für die eine Brustkrebspatientin richtig ist, ist für die andere falsch.

Es liegt in der Verantwortung des Arztes, vor einer Therapieempfehlung alle relevanten Informationen einzuholen, das ist zum Beispiel beim Brustkrebs mehr als der Rezeptorstatus und die HER-2-Expression. Regelmäßige Fallbesprechungen im größeren Kreis erleichtern die Entscheidung. Auch eine interdisziplinäre Betreuung ist einfacher, wenn Kollegen verschiedener Fachrichtungen eng zusammenarbeiten, am besten unter einem Dach.

Ärzte Zeitung: Heißt das Motto "Je größer die Praxis, desto besser die Versorgung?"

Possinger: Nein, es wäre falsch, die Qualität der onkologischen Versorgung allein an der personellen oder technischen Ausstattung einer Praxis zu messen. Das beste Kriterium ist der Erfolg einer Therapie, gemessen an Überlebenszeiten und Lebensqualität. Aber solche Kriterien, die in Studien als harte Endpunkte erfaßt werden, werden kaum abgefragt. Das ist auch schwer, aber es sollte zumindest versucht werden, Kriterien für eine gute Krebstherapie zu definieren.

Das heißt: Qualität nicht am Input festmachen, sondern am Outcome messen! Da hilft die ganze Zertifizierung von Kliniken und Praxen, die besonders in Deutschland mit Akribie vorangetrieben wird, allein nicht weiter.

Ärzte Zeitung: Leidet in größeren onkologischen Einrichtungen der persönliche Kontakt zum Patienten?

Possinger: Jeder Patient sollte seinen festen Ansprechpartner haben, einen Arzt, dem er vertraut und der ihn während der gesamten Therapie begleitet. Der Hausarzt ist in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung. Wir arbeiten in unserer Klinik mit vielen niedergelassenen Kollegen zusammen, mit denen sich über die Jahre gute Kontakte entwickelt haben. Da klappt der Austausch zwischen Klinik und Praxis unbürokratisch und schnell.

Trotzdem sehe ich Vorteile für größere Praxen, denn sie stärken dem Arzt den Rücken. Zum Beispiel wenn es um Fragen der Kostenübernahme geht, wie bei der adjuvanten Brustkrebstherapie mit Herceptin. Da kann eine Gruppe von Ärzten vermutlich mehr erreichen als ein einzelner.

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