Interview

Krebskranke brauchen auch Knochenschutz

Bestimmte Tumortherapien können zu Osteoporose führen und Krebserkrankungen in den Knochen streuen. Wichtig für eine effektive Osteoprotektion der Patienten ist die gute Zusammenarbeit der beteiligten Disziplinen, sagt Professor Petra Feyer aus Berlin.

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Professor Petra Feyer

Aktuelle Position: Seit 2000 Direktorin der Klinik für Strahlentherapie, Radioonkologie und Nuklearmedizin am Vivantes-Klinikum Neukölln, Berlin

Werdegang/Ausbildung: 1973 - 1979 Medizinstudium in Leipzig; 1983 Promotion; 1984 FA für Radiologie; 1994 Habilitation

Karriere: 1979 - 1984 wissenschaftliche Assistentin an der Uni Leipzig; 1984 - 1994 Fachärztin/Oberärztin an der Klinik für Radioonkologie, Uni Leipzig; 1994 - 1999 Privatdozentin an der Klinik für Strahlentherapie, Charité Campus-Mitte; 1999 - 2000 Professorin an der Klinik für Strahlentherapie, Uni Köln

Forschung: Supportivtherapien in der Onkologie, Optimierung multimodaler Therapiekonzepte, Lebensqualität der Patienten

Ärzte Zeitung: Wohin geht die Reise in der Osteoonkologie?

Professor Petra Feyer: Die Entwicklung geht eindeutig in Richtung Osteoprotektion: Zum einen haben wir eine erhöhte Osteoporosegefahr durch bestimmte Tumortherapien - hier können wir gegensteuern.

Zum anderen können wir osteoprotektiv wirken, wenn wir eine Metastasierung oder ein Fortschreiten von Metastasen verhindern. Es ist daher entscheidend, bei allen Beteiligten das Bewusstsein zu wecken, sehr frühzeitig auch den Knochen des Krebspatienten zu betrachten.

Ärzte Zeitung: Das muss zweifellos interdisziplinär geschehen. Welche Disziplinen sind daran beteiligt?

Feyer: Ganz richtig, das kann nur interdisziplinär funktionieren. Hier steht an erster Stelle die Einleitung der entsprechenden Diagnostik, wenn Beschwerden am Skelettsystem auftreten. Dann wird in Abhängigkeit vom Befund der internistische Onkologe oder der organspezifische Onkologe aus der Urologie, Gynäkologie etc. konsultiert.

Parallel dazu muss man, wenn es sich um eine Metastasierung mit Frakturgefahr handelt, natürlich den orthopädischen Chirurgen einschalten und zur Schmerzbekämpfung sowie zur Stabilisierung des Knochens außerdem den Radioonkologen.

Ärzte Zeitung: Muss eine Strahlentherapie grundsätzlich mehrere Wochen dauern?

Feyer: Nein - eine Strahlentherapie kann auch kürzer sein: Wir wählen ein an das Therapieziel und an den Zustand des Patienten angepasstes Konzept aus. So kann man eine Schmerzsymptomatik beispielsweise sehr gut mit einer einmaligen Bestrahlung therapieren.

Ärzte Zeitung: Die Voraussetzung dafür ist wahrscheinlich, dass es insgesamt nicht zu viele Metastasen sind?

Feyer: Das stimmt. Bei disseminierter ossärer Metastasierung ohne einen gezielten Schmerzpunkt sollte mit den nuklearmedizinischen Kollegen diskutiert werden, inwieweit eine Radionuklid-Therapie sinnvoll sein könnte. Dazu muss vorab untersucht werden, ob die Metastasen das Radionuklid speichern.

Und natürlich muss auch eine auf den Knochen fokussierte, systemische Therapie diskutiert werden: Hierzu zähle ich Bisphosphonate und RANKL-Hemmer wie Denosumab.

Ärzte Zeitung: Wo landen Patienten mit Knochenkrebs zuerst beim chirurgisch tätigen Orthopäden?

Feyer: In der Regel kommen die Patienten primär zum internistischen oder Radioonkologen, wenn sie Schmerzen haben oder eine Frakturgefahr besteht.

Dann stellt generell - zumindest ist es bei uns so - der Radioonkologe potenziell frakturgefährdete Patienten mit Metastasen dem orthopädischen Chirurgen vor mit der Frage, ob dieser eine Indikation für eine Stabilisierungsoperation sieht. Ist dies der Fall, wird zunächst operiert und anschließend bestrahlt.

Oder der Chirurg sagt: Nein, es ist kein tragender Skelettabschnitt betroffen und die Krafteinwirkung ist hier nur moderat wie beispielsweise im Oberarmbereich. Dann bestrahlt man und setzt außerdem systemische Osteoprotektiva ein, und darunter stabilisiert sich der Knochen wieder.

Der orthopädische Chirurg tritt also vor allem bei Frakturgefahr in Aktion, insbesondere im Wirbelsäulen- und Beckenbereich, am Schenkelhals und Oberschenkel.

Ärzte Zeitung: Gibt es auch Patienten, bei denen einzelne oder wenige Knochenmetastasen noch kurativ behandelt werden können?

Feyer: Ja, diese Patienten gibt es. Patienten mit Mammakarzinom oder Prostatakarzinom können trotz vorhandener ossärer Metastasierung noch acht oder zehn Jahre leben. Das ist trotzdem eine palliative Situation, und sie ist abzugrenzen von einer Oligometastasierung.

Wenn ich also singuläre Knochenmetastasen habe, kann ich mit entsprechenden strahlentherapeutischen Methoden oder auch durch Resektion von Teilen des Knochens wirklich kurativ behandeln, sodass der Patient eine gute Prognose hat.

Ist die Erkrankung hingegen disseminiert, müssen systemische Therapien eingesetzt werden. In diesen Fällen wird man eine Chemotherapie oder eine Hormontherapie etwa bei Patienten mit Mamma- oder Prostatakarzinom oder eine "targeted therapy" mit spezifischen Therapien für die ossäre Metastasierung wie Bisphosphonaten oder Denosumab kombinieren.

Das Interview führte Josef Gulden.

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