Trick der Krebszellen, um Metastasen zu bilden

Wie Krebszellen sich durch die Wände von Blutgefäßen zwängen und in Organe streuen, haben Schweizer Forscher entdeckt. Der Mechanismus ist deshalb so relevant, weil Metastasen für Krebskranke die eigentliche Gefahr darstellen.

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Eine Tumorzelle (blaugrün) schleust sich wie mit Füßchen durch die Endothelzelle einer Lungenkapillare (violett).

Eine Tumorzelle (blaugrün) schleust sich wie mit Füßchen durch die Endothelzelle einer Lungenkapillare (violett).

© PD Lubor Borsig, Uni Zürich

ZÜRICH (eb). Krebspatienten sterben selten an den Primärtumoren, sondern eher an den Metastasen, die von diesem Tumor streuen. Den Anfang dieser Metastasenbildung hat jetzt ein Team um Physiologen der Universität Zürich identifiziert.

Erstmals wiesen sie den Weg nach, den metastasierende Darmkrebszellen von der Blutbahn einschlagen. Die Erkenntnisse erlauben neue Ansätze bei der Entwicklung von Krebstherapien (Cancer Cell 2012, 22 (1): 91-105).

Weltweit sterben jedes Jahr über sieben Millionen Menschen an Krebs. Dank wirksamer Therapien und guter Früherkennung ist in den Industrienationen nur bei zehn Prozent der Primärtumor die direkte Todesursache.

Die Mehrheit stirbt an den Folgen von Tochtergeschwulsten. Diese siedeln sich über die Blutbahnen ab.

Bislang war der eigentliche Grund für die Metastasierung in bestimmte Organen unbekannt. Unklar war ferner, wie die Tochterzellen aus den Gefäßen in Organe eindringen können.

Tumorzellen manipulieren den Blutgefäß-Pförtner

Nun hat eine Arbeitsgruppe um Privatdozent Lubor Borsig von der Universität Zürich und Professor Mathias Heikenwälder von der Technischen Universität München nachgewiesen, dass Krebszellen spezifische Pförtnerrezeptoren auf dem Endothel der Blutgefäße manipulieren.

Eine Tumorzelle (grün) hat mit ihrem Chemokin den Rezeptor des Endothels (rot) aktiviert und zwängt sich gerade durch die geöffnete Endothelzelle. Ein Monozyt (blau) hilft ihr dabei.

Eine Tumorzelle (grün) hat mit ihrem Chemokin den Rezeptor des Endothels (rot) aktiviert und zwängt sich gerade durch die geöffnete Endothelzelle. Ein Monozyt (blau) hilft ihr dabei.

© PD Lubor Borsig, Uni Zürich

Als Schlüssel zum Öffnen der Blutgefäße verwenden sie ein tumoreigenes Chemokin, das Chemokin CCL2. Erhöhte Werte dieses Botenstoffs sind charakteristisch für metastasierende Brust-, Prostata- und Darmkarzinome.

Hohe CCL2-Werte wurden bislang vor allem als Hinweis auf ein starkes Tumorwachstum und eine schlechte Krankheitsprognose verstanden. Doch nun hat sich bei In-vivo- und In-vitro-Experimenten an Labormäusen herausgestellt, dass CCL2 weit mehr ist als ein Indikator für die Aggressivität des Krebs.

"CCL2 aktiviert einen Pförtnerrezeptor auf dem Endothel der Blutgefäße und ermöglicht es so der Darmkrebszelle, aus der Blutbahn zu gelangen und in anderen Organen zu metastasieren", wird Borsig in einer Mitteilung der Uni Zürich zitiert. Welche Aufgabe dieser Endothelpförtner - als CCR2 bezeichnet - im gesunden Organismus hat, ist nicht bekannt.

Borsig vermutet, dass der Pförtner bei der Immunreaktion des Körpers die Durchlässigkeit der Blutgefäße moduliert.

Der neu entdeckte Mechanismus werde damit einen Ansatz liefern für die Entwicklung von Medikamenten gegen Metastasen bei Brust-, Prostata- und Darmkrebs, prognostiziert Borsig.

Chemokin und Rezeptor - Ansätze für Zytostatika

Denkbar sei zum Beispiel, die Chemokin-Expression des Tumors zu unterdrücken oder aber den Pförtner für das Tumor-Chemokin zu blockieren, so dass keine Krebszellen mehr aus der Blutbahn in das gesunde Gewebe kriechen.

"Wenn es gelingt, die Krebszellen am Verlassen der Blutbahnen zu hindern, kann die Metastasierung direkt am Ursprung bekämpft werden", so der Zürcher Wissenschaftler.

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