NRW

Krebsgesellschaft und Ministerium im Clinch

Laut Krebsgesellschaft will die Landesregierung viele Projekte im kommenden Jahr nicht mehr fördern. Die Ministerin weist das zurück und beklagt ihrerseits fehlende Nachweise über die Finanzierung einiger Projekte.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Befindet sich im heftigen Schlagabtausch mit der Krebsgesellschaft: Die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne).

Befindet sich im heftigen Schlagabtausch mit der Krebsgesellschaft: Die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne).

© Gambarini/dpa

DÜSSELDORF. Die Rolle des Landes Nordrhein-Westfalen bei der Krebsprävention und -beratung ist Gegenstand einer heftigen Kontroverse zwischen der Krebsgesellschaft und dem Gesundheitsministerium des Landes geworden.

Die Krebsgesellschaft ist mit dem Vorwurf an die Öffentlichkeit gegangen, das Land lasse Krebskranke im Regen stehen, was das Ministerium als unbegründet zurückweist.

Nach Angaben der Krebsgesellschaft NRW hat das Gesundheitsministerium angekündigt, 80 Prozent der insgesamt 22 Projekte im kommenden Jahr nicht mehr weiter fördern zu wollen. In diesem Jahr hat die Gesellschaft bislang 350.000 Euro von möglichen 400.000 Euro an Fördermitteln vom Land erhalten.

"Wir blicken mit einem unguten Gefühl auf das Jahr 2014", sagte der Vorstandsvorsitzende, der Kinderonkologe Professor Heribert Jürgens. Er sieht die Nachhaltigkeit und die Kontinuität der Arbeit gefährdet.

Zerstört die Landesregierung notwendige Strukturen?

Die von der Krebsgesellschaft aufgebauten Hilfsmöglichkeiten bräuchten ein strukturelles Gerüst, das jetzt von der Landesregierung zerstört werde, kritisierte Vorstandsmitglied Professor Wolff Schmiegel, der Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft ist. "Wir können nicht erkennen, welche Ersatzmaßnahmen es gibt."

Man habe wiederholt das Gespräch mit dem Gesundheitsministerium gesucht, sagte Schmiegel. "Wir hatten auf Verständnis für die Herausforderungen in der Krebsheilkunde gehofft."

Als Beispiele nannte er den Wunsch, die zertifizierten Krebszentren im Landeskrankenhausplan ausweisen zu lassen, und ein von der Krebsgesellschaft gemeinsam mit anderen Akteuren entwickeltes Konzept für die klinische Krebsregistrierung. "Unsere Anliegen haben kein Interesse, keine Handlungsnotwendigkeiten hervorgerufen", berichtete er.

Steffens: Krebsgesellschaft will von Defiziten ablenken

Landesgesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) reagierte irritiert auf die Vorwürfe. "So wie die Krebsgesellschaft NRW hier agiert und mit ihrem Verhalten vermutlich auch noch zur Verunsicherung schwer kranker Menschen beiträgt, kann ich ihr den Vorwurf nicht ersparen, mit ungerechtfertigten Anschuldigungen vor allem von eigenen Defiziten ablenken zu wollen", sagte sie.

Nach Angaben des Ministeriums sind für 2014 erneut 400.000 Euro im Haushaltsentwurf eingeplant. Die erforderlichen Projektanträge seien erst am vergangenen Freitag im Ministerium eingetroffen und hätten deshalb noch gar nicht geprüft werden können.

Zur Finanzierung einiger Projekte der Krebsgesellschaft seien bislang bedauerlicherweise keine "akzeptablen Nachweise" erbracht worden, teilte das Ministerium mit. Seit 2008 gebe es von der prüfenden Bezirksregierung Hinweise auf Versäumnisse bei den Nachweisen. Der Landesrechnungshof habe daraufhin nochmals auf die Kriterien für eine mögliche Förderung hingewiesen.

"Schallende Ohrfeige für ehrenamtlich tätige Ärzte"

Nach Darstellung der Krebsgesellschaft sind dagegen alle Nachweise erbracht worden. "Ich empfinde die fiskalische Begründung als eine schallende Ohrfeige für alle ehrenamtlich tätigen Ärzte, die sich für die Belange von Krebskranken einsetzen", sagte Schmiegel.

Die Kritik, das Land engagiere sich nicht ausreichend beim Aufbau eines klinischen Krebsregisters, hält das Gesundheitsministerium für unbegründet. Bis 2017 sollen mindestens 2,3 Millionen Euro in das Projekt fließen. Das Projekt sei Aufgabe des Landes. "Es ist begrüßenswert, wenn die Krebsgesellschaft ihr Know-how beiträgt", so das Ministerium.

Für die Krebsgesellschaft bleibt klar: Nordrhein-Westfalen hatte mit der Errichtung von Krebszentren einmal eine bundesweite Schrittmacherfunktion und droht jetzt, zum Schlusslicht zu werden. "Die Landesregierung will irgendwann auf den Zug aufspringen, möchte aber nicht auf der Lok sitzen", sagte Onkologe Jürgens.

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