Krebskongress ASCO

Bühne für Spitzenforschung aus Deutschland

Die Jahrestagung der US-amerikanischen Krebsgesellschaft in Chicago findet mit starker deutscher Beteiligung statt – ein Zeichen für die gute Qualität der Forschung in der Onkologie! Doch es gibt Nachholbedarf, zum Beispiel bei der Entwicklung künstlicher Intelligenz.

Peter LeinerVon Peter Leiner Veröffentlicht:
Modell einer Krebszelle.

Modell einer Krebszelle.

© Juan Gärtner / Fotolia

Mehr als 30.000 Teilnehmer werden am Freitag zur Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) in Chicago erwartet, drei Mal mehr als beim Deutschen Krebskongress 2016.

Bereits das Motto "ASCO: Making a Difference in Cancer Care WITH YOU" für den diesjährigen Kongress und für die aktuelle ASCO-Präsidentschaft soll klarmachen, dass jeder, der sich um die Versorgung von Krebskranken kümmert, ob Arzt oder Pflegekraft, im Kampf gegen Krebs wichtig ist – und dass der Patient im Fokus steht und eine erfolgreiche Bekämpfung von Krebs nur interdisziplinär umgesetzt werden kann.

Ausgedacht hat sich das Motto Professor Daniel F. Hayes von der Universität Michigan in Ann Arbor, dessen ASCO-Präsidentschaft nach dem Kongress endet.

Deutschland brilliert

Es ist zwar der größte US-amerikanische Krebskongress, doch was von Onkologen aus Deutschland in diesem Jahr beigesteuert wird, kann sich sehen lassen. Das reicht von Beiträgen zur Fortbildung während der "Education Sessions" über Standardvorträge bis zu den Posterpräsentationen und -diskussionsrunden.

Darin werden aktuelle Studiendaten zu den wichtigsten Tumorentitäten wie Brust-, Lungen- und Prostatakarzinom sowie zu gynäkologischen und hämatologischen Malignomen präsentiert. Das beinhaltet auch die Immuntherapie mit monoklonalen Antikörpern als Checkpointhemmern, die inzwischen bei fast jeder Tumorentität zum Zuge kommen und bei deren Entwicklung sich immer mehr pharmazeutische Unternehmen engagieren.

Selbst das Thema Klassifizierung pädiatrischer Hirntumoren anhand genetischer Marker hat es mit einem Beitrag vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg in eine "Education Session" geschafft. Wie sehr deutsche Onkologen in die ASCO-Tagung eingebunden sind, kann man getrost als Gradmesser für die Güte der deutschen onkologischen klinischen und Grundlagenforschung betrachten.

Immuntherapie mit CAR-T-Zellen vielversprechend

Deutlich weniger beisteuern können Onkologen aus Deutschland derzeit noch, wenn es um die Immuntherapie mithilfe genetisch veränderter autologer Immunzellen geht. Welchen Stellenwert diese vielversprechende Therapieform dagegen in den USA bereits hat, lässt sich zum einen daran ablesen, dass viele Beiträge, etwa zur Wirksamkeit von CAR-T- Zellen, also Lymphozyten mit chimären T-ZellRezeptoren, vor allem bei hämatoonkologischen Erkrankungen präsentiert werden.

Zum anderen erfolgt eine Synopsis des Themas in der Eröffnungsveranstaltung am Samstag, während der keine Parallelveranstaltungen sind, präsentiert vom Pionier dieser neuen Therapiestrategie, Professor Carl June von der Universität in Pennsylvania in Pittsburgh. Wohin die Reise der zellulären Immuntherapie geht, lässt sich bereits am Titel seines Vortrages ablesen: "Driving New CARs for Cancer: PACE CARS, NASCARs, and SWEET CARs".

Die Akronyme sind Anspielungen auf neue und schnelle Automodelle. Solche als "SWEET CARs" bezeichnete T-Zellen etwa sind so konstruiert, dass sich die Zellrezeptoren gegen das Glykoprotein MUC1 auf Epithelzellen richten und damit gegen solide Tumoren verwendbar sind.

Präzisionsmedizin im Fokus

Nicht zuletzt die Präzisionsmedizin steht auf der ASCO-Tagung im Fokus, auch weil sie wie die Immuntherapie und die Forschung zu Big Data in der Onkologie Teil der US-amerikanischen National Cancer Moonshot Initiative ist, die im vergangenen Jahr von Joe Biden, dem damaligen Vizepräsidenten der USA, begründet wurde.

In den nächsten sieben Jahren wird dieses Projekt voraussichtlich mit 1,8 Milliarden US-Dollar gefördert, womit die Forschung vor allem zu Therapie und Prävention von Krebs unterstützt wird – wenn Präsident Donald Trump dem durch seine geplanten Kürzungen des Forschungsbudgets nicht doch noch einen Strich durch die Rechnung macht.

Präzisionsmedizin geht auch in der Onkologie einher mit der Anwendung genetischer Verfahren wie der modernen Sequenzierung der DNA (NGS, Next Generation Sequencing), wodurch sich ein molekulares Profil der Tumoren für die Wahl der Therapie erstellen lässt.

Unter anderem Dr. Deborah Schrag vom Dana-Farber Institute in Boston fordert von Onkologen, dass sie sich mit den unterschiedlichen Genvarianten und den verwendeten neuen Nachweismethoden vertraut machen, auf die in den Laborberichten hingewiesen wird, und dass sie die Limitierungen in der Aussagekraft der Testsysteme kennen sollten.

Prototyp eines Tumors, bei dem die Präzisionsmedizin die Versorgung der Kranken vorangebracht hat, ist ihren Angaben zufolge das nichtkleinzellige Lungen-Ca mit dem Biomarker EGFR, gegen den Tyrosinkinasehemmer wirksam eingesetzt werden können. Die Interpretation der molekulargenetischen Daten bleibt eine Herausforderung.

Zukunft: Künstliche Intelligenz hilft bei Therapieentscheidung

Die ASCO-Teilnehmer erhalten schließlich auch einen Blick in die Zukunft, in der die Therapieentscheidung mithilfe künstlicher Intelligenz erleichtert werden soll. Ansätze dafür gibt es bereits mit dem System Watson des Unternehmens IBM Watson Health.

"Gelernt" hat Watson for Oncology am Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York. Beim ASCO werden die aktuellen Ergebnisse zu Therapieentscheidungen des Computers im Vergleich zum Tumorboard des Manipal Comprehensive Cancer Centre in Bangalore in Indien von Dr. S. P. Somashekhar von der Manipal-Klinik vorgestellt.

Erste Auswertungen hatten ergeben, dass die Therapievorschläge beim Lungen- und Kolorektalkarzinom zu über 90 Prozent übereinstimmten. Die Unterstützung von Onkologen durch solche Systeme wird über kurz oder lang Realität sein.

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