Darmkrebs

Prävention geht weit über die Koloskopie hinaus

Die Darmkrebsprävention per Koloskopie hat Potenzial, wird aber noch zu wenig genutzt. So wird Ausschau gehalten nach weiteren Optionen, deren Möglichkeiten ausgeschöpft werden könnten, etwa der Genstatus und das Mikrobiom des Darms.

Peter LeinerVon Peter Leiner Veröffentlicht:
Im Fokus der Prävention: die Früherkennung von Darm-Polypen.

Im Fokus der Prävention: die Früherkennung von Darm-Polypen.

© Albertinen KH / Endoskopiebilder

Derzeit profitieren Patienten mit Darmkrebs nicht in dem Maße wie Patienten mit anderen Krebserkrankungen von einer onkologischen Therapie. Daher setzen Onkologen und Gesundheitsforscher zunehmend auf Prävention. Was mit der Koloskopie, die 2002 in Deutschland für Menschen über 55 Jahre eingeführt wurde, tatsächlich bereits möglich ist, wie Studien von Forschern um Professor Hermann Brenner am Deutschen Krebsforschungsinstitut (DKFZ) in Heidelberg belegen. Die Auswertung der Daten zehn Jahre nach Einführung des Screenings hatte ein ermutigendes Ergebnis zu Tage gefördert. Bei etwa 4,4 Millionen Koloskopien zur Prävention wurden demnach seit Beginn des Vorsorge-Programms bis zum Jahr 2012 insgesamt 180.000 kolorektale Karzinome verhindert.

Zusätzlich seien 40.000 Erkrankungen so frühzeitig entdeckt worden, dass die Patienten geheilt werden konnten, so Dr. Christa Maar, Geschäftsführender Vorstand der Felix Burda Stiftung und Präsidentin des Vereins "Netzwerk gegen Darmkrebs". Solche Zahlen lassen sich durch eine Therapie nicht erreichen, zumindest nicht in absehbarer Zeit, wie Maar beim dritten internationalen Symposium "Innovations in Oncology" am DKFZ betonte. Die Tagung "How To Eliminate Colon Cancer – A Road Map" wurde vom Netzwerk gemeinsam mit dem DKFZ, dem Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT), dem Uniklinikum Heidelberg und der Felix Burda Stiftung veranstaltet.

Hohe familiäre Häufung der Erkrankungen

Doch die Koloskopie wird immer noch nicht ausreichend akzeptiert. Die Menschen mögen sie einfach nicht, so Maar. Daher rückte die Tagung innovative Präventions- und Früherkennungsstrategien in den Fokus, vor allem im Zusammenhang mit familiärem und erblichem Darmkrebs, sowie die Bedeutung des Mikrobioms und des Lebensstils als mögliche Risikofaktoren. So machte Professor Richard Boland von der Universität von Kalifornien in San Diego darauf aufmerksam, dass beim Kolorektalkarzinom mit einer hohen familiären Häufung zu rechnen ist. Eine aktuelle Studie habe zum Beispiel ergeben, dass fast zehn Prozent der Patienten mindestens eine pathogene Keimbahnmutation tragen.

In der Studie waren mehr als 1000 Patienten, die nicht nach Hochrisikomerkmalen ausgewählt worden waren, auf das Vorhandensein von 25 Genen untersucht worden, die im Zusammenhang mit vererbtem Darmkrebs stehen, etwa MLH 1, MLH 2 und MLH 6, APC und MUTYH sowie für das Lynch-Syndrom typische Gene. Weder das Alter noch die Familienanamnese seien für die Vorhersage von Mutationen hilfreich gewesen, so Boland. Die Diagnose werde unter anderem aufgrund der Tatsache, dass mehr als eine Genmutation Ursache der Krebserkrankung sein kann, erschwert. Zudem liege eine inkomplette Penetranz vor, bei der sich der genetische Status nicht vollständig im Phänotyp widerspiegelt. Um Darmkrebs eines Tages eliminieren zu können, müsse man mehr über die familiären Syndrome wissen, die das Risiko für ein kolorektales Karzinom erhöhen, so Boland. Es müssten kosteneffektive Maßnahmen für die genetische Diagnose solcher Darmkrebsformen entwickelt werden. Zudem sollten unter anderem Allgemeinärzte, Gastroenterologen und Chirurgen, die Darmkrebspatienten versorgen, über die zugrunde liegenden Prinzipien aufgeklärt werden.

Zusammenspiel von Mikrobiom und Krebs

Aber nicht nur genetische Veränderungen sind Risikofaktoren für die Entwicklung von Darmkrebs. Dr. Ami Bhatt von der Stanford School of Medicine erforscht schon seit einiger Zeit das Zusammenspiel zwischen dem Mikrobiom und nicht durch Infektionen übertragenen Krankheiten. Sie erinnerte daran, dass Mikroben etwa drei Prozent des Körpergewichts eines Menschen ausmachen. Wird die Zusammensetzung der Bakterienpopulation im Darm verändert, kann sich auch das Risiko für Darmkrebs erhöhen. US-Forscher haben zum Beispiel entdeckt, dass Patienten mit einem kolorektalen Karzinom eine geringere bakterielle Vielfalt im Darm aufweisen. So war der Anteil von Clostridien im Vergleich zu Gesunden niedriger, der von Fuso- und Porphyromonas-Bakterien dagegen deutlich höher. Es gibt bereits einige Hinweise, dass das Mikrobiom des Darms je nach Zusammensetzung die Karzinogenese beeinflusst. Wie das genau vor sich geht, ist noch unklar. Eine Möglichkeit ist die Umwandlung prokanzerogener Substanzen aus der Nahrung in krebsauslösende Stoffe. Mithilfe etwa von Probiotika wird in Studien bereits versucht, die normale Zusammensetzung des Mikrobioms wieder herzustellen und so das Darmkrebsrisiko zu senken. Zur effektiven Bekämpfung von Darmkrebs sei es zuvor nötig, das Zusammenspiel zwischen den Genen und der Umgebung im Darm besser zu verstehen, so Bhatt.

Schließlich erinnerte Dr. Martha Shrubsole von der Vanderbilt University in Nashville an die Bedeutung des Lebensstils für das Darmkrebsrisiko. So sei zum Beispiel bei einem BMI über 30 die Wahrscheinlichkeit für (gutartige) hyperplastische Polypen um 43 Prozent, für konventionelle Adenome um 23 Prozent erhöht. Der Verzehr von dunklem Fleisch, etwa von Rind und Schwein, ist zudem vor allem mit einem fast zweieinhalbfach erhöhten Risiko für Karzinomvorläufer (sessile serratierte Adenome) assoziiert.

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