Onkologie

Phytos als Adjuvans bei Krebs gefragt

Phytopharmaka sollten integraler Baustein der modernen Medizin sein, auch der Onkologie, lautet eine vielfach geäußerte Forderung. Therapeutische Lücken ließen sich damit schließen.

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:
Die Verordnung pflanzlicher Mittel soll die konventionelle Krebstherapie ergänzen.

Die Verordnung pflanzlicher Mittel soll die konventionelle Krebstherapie ergänzen.

© goldbany / Fotolia

Arzneipflanzen, frisch oder in getrockneter Form und in den verschiedensten Zubereitungen, gehören zu den ältesten Heilmitteln des Menschen. Bis 1994 hatte sich die Kommission E beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mit dem verfügbaren Wissen zu Phytotherapeutika befasst und dies in hunderten Monographien zusammengefasst. Heute erfolgt dies bevorzugt auf europäischer Ebene, etwa unter dem Dach der European Scientific Cooperative on Phytotherapy (ESCOP). Auch bei der Europäischen Arzneimittelagentur EMA werden Monographien zu pflanzlichen Drogen erstellt, eine aktualisierte Liste ist zuletzt im Januar 2017 erschienen.

Allmähliches Umdenken

Die Beliebtheit von Phytopharmaka in der Bevölkerung führt auch unter konventionell eingestellten Ärzten allmählich zu einem Umdenken. Denn grundsätzlich lassen sich pflanzliche Arzneimittel ebenso auf ihre Wirksamkeit und Sicherheit prüfen wie chemisch definierte Arzneimittel. Der Umgang damit sei rationaler geworden, stellte bereits vor einigen Jahren Professor Karin Kraft, die in Rostock einen Lehrstuhl für Naturheilkunde inne hat, gegenüber der "Ärzte Zeitung" fest. Auch in anderen Ländern wie den USA oder Kanada wird versucht, traditionelle Behandlungspraktiken in die naturwissenschaftlich geprägte westliche Medizin zu integrieren.

Ein Beispiel aus Deutschland ist die Frauenklinik an der Universität Frankfurt am Main. Dort gibt es bereits seit mehreren Jahren eine Naturheilkunde-Ambulanz für Krebspatientinnen. Wenn gewünscht können sie komplementärmedizinische Angebote mit dem wissenschaftlichen Behandlungskonzept kombinieren. Dies stellt zugleich einen Schutz der Patientinnen dar, die ansonsten womöglich parallel und ohne Absprache mit dem behandelnden Onkologen naturheilkundliche Behandlungen in Anspruch nehmen würden. Daraus könnten unerwünschte Wechselwirkungen mit konventionellen Therapien resultieren. Zugleich werden die Patientinnen in die Lage versetzt, selbst etwas für sich zu tun, etwa mit sinnvoller Ernährungstherapie, Balneotherapie oder eben auch mit der Phytotherapie.

"Die Phytotherapie ist im Sinne der integrativen Behandlung ein Baustein, der therapeutische Lücken schließen kann", meint auch Dr. Evelyn Klein von der Frauenklinik der TU München (Gynäkologe 2017; 50: 22-25). Vor allem in der Onkologie könne die Pflanzenheilkunde zur Linderung von therapiebedingten Nebenwirkungen und von tumorbedingten Beschwerden dienen. Klein verweist zum Beispiel auf die antiemetische Wirksamkeit von Ingwer zur Linderung und Vorbeugung von chemotherapieinduzierter Übelkeit und von Erbrechen. Dazu gebe es mittlerweise "etliche Untersuchungen".

In einer doppelt verblindeten Multicenterstudie mit fast 600 Krebspatienten waren drei Dosen eines Ingwer-Extrakts gegen Placebo geprüft worden, tägliche Dosen von 0,5 bis 1,0 g führten zu einer signifikanten Reduktion der Übelkeit (Supp Care Cancer 2012; 20: 1479-1489). In einem 2013 veröffentlichten systematischen Literaturreview waren in drei von sieben Studien, die den qualitativen Einschlusskriterien entsprachen, positive Wirkungen von Ingwer ermittelt worden, aus zwei weiteren Studien ging dies unter Vorbehalt hervor, in zwei Untersuchungen gab es keinen Effekt (Nutr Rev 2013; 71: 245-254).

Prophylaxe der Strahlendermatitis

Ein anderes Beispiel ist die Prophylaxe der Strahlendermatitis bei Brustkrebspatientinnen mit Extrakten der Ringelblume (Calendula officinalis), zu den positiven Effekten in dieser Indikation existieren ebenfalls Studiendaten (J Clin Oncol 2004; 22: 1447-1453). Beide Anwendungen pflanzlicher Mittel hat die Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) mittlerweile in ihre Empfehlungen aufgenommen. Weitere Einsatzmöglichkeiten von Phytotherapeutika können etwa Mukositis oder Appetitlosigkeit sein. Des Weiteren nennt die Münchner Gynäkologin postmenopausale Symptome wie Hitzewallungen und Schweißausbrüche, wie sie unter endokriner Therapie bei Brustkrebs vorkommen. Die Studienlage sei allerdings heterogen. Die lange befürchteten phytoöstrogenen Wirkungen von Traubensilberkerze hätten sich jedoch nicht bestätigt.

Unter Aromataseinhibitoren treten häufig muskuloskelettale Beschwerden auf. Für diese Patientinnen empfiehlt Klein Kombinationspräparate, die zum Beispiel Frischpflanzenauszüge aus Eschenrinde, Zitterpappelrinde und –blättern sowie echtem Goldrutenkraut enthalten (Phytodolor®) oder auch Monopräparate mit Weidenrindenextrakt, Nachtkerzenöl oder Teufelskralle.

Gynäkologin fordert mehr Studien

"Obgleich im Bereich der Onkologie allgemein und der gynäkologischen Onkologie im Speziellen noch sehr wenige Daten zum Einsatz von Phytotherapeutika existieren, werden diese von mindestens 40 Prozent unserer Patientinnen angewandt", gibt Klein zu bedenken. Angesichts dieser großen Akzeptanz von Phytopharmaka in der Bevölkerung spricht sie sich dafür aus, vermehrt Studien zu initiieren.

Da die Wirkungsweise vieler Pflanzen gut erforscht sei, seien die Grenzen der Phytotherapie klar gesteckt, meinen Professor André-Michael Beer von der Ruhr-Universität Bochum und seine Kollegin Professor Jutta Hübner, die seit diesem Jahr eine Stiftungsprofessur für Integrative Onkologie am Universitätsklinikum Jena inne hat (Onkologe 2017; 23: 190-195). Sie fordern wissenschaftlich gesicherte phytotherapeutische Angebote in der Onkologie.

"Adjuvante Darreichungsformen wie Phytopharmaka, Arzneitees, zum Beispiel bei Diarrhö, können in enger Abstimmung mit dem behandelnden Onkologen angewendet werden, soweit keine Bedenken bestehen, dass sie nicht schaden, nicht irreführend sind und dadurch keine wesentlichen Therapien versäumt werden." Onkologen, so Beer und Hübner, sollten die Möglichkeiten und Grenzen der europäischen Phytotherapie kennen, um ihre Patienten beraten zu können. Entsprechende Fortbildungsangebote gebe es.

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