Brustkrebs

IQWiG dämpft erneut Hoffnungen für onkologische Biomarker-Tests

Vor einem Jahr erregte die Nutzenbewertung zu Biomarker-Tests bei der Behandlung von Patientinnen mit frühem Brustkrebs Aufsehen. Jetzt legt das Institut eine Patientenbroschüre mit den gleichen Aussagen vor.

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:
Strittig bleibt, wie Brustkrebs am besten aufzuspüren ist.

Strittig bleibt, wie Brustkrebs am besten aufzuspüren ist.

© Lars Zahner / stock.adobe.com

Ob Biomarkertests bei frühem Brustkrebs mehr nutzen als klinische Untersuchungen ist nicht erwiesen. Das ist eine der zentralen Aussagen einer Entscheidungshilfe für Patientinnen, die das IQWiG (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen) am Donnerstag im Entwurf vorgelegt hat.

Es hat den Mehrnutzen von Genexpressionstests bei der Behandlung von Patientinnen mit frühem Brustkrebs im Vergleich zur klassischen klinischen Pathologie bereits bei seiner Nutzenbewertung vor einem Jahr als nicht nachgewiesen bewertet und damit viel Widerspruch provoziert.

Begrenzte Erkenntnisse

Die Entscheidungshilfe soll betroffene Frauen dabei unterstützen, Möglichkeiten und Grenzen der Tests realistisch einzuschätzen, erklärte das IQWiG. Die Broschüre beantwortet Fragen wie: Wie wird das Rückfallrisiko routinemäßig bestimmt? Welche Nachteile hat eine Chemotherapie? Können Biomarker-Tests das Rückfallrisiko zuverlässig bestimmen?

Die Antwort der Broschüre auf die letzte Frage: "Es ist nicht nachgewiesen, dass einer der Biomarker-Tests das Rückfallrisiko zuverlässiger vorhersagen kann, als dies anhand klinischer Kriterien möglich ist. Verschiedene Biomarker-Tests können auch zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen." Das Institut verweist auf laufende Studien, aber auch darauf, dass die Tests nur Fernrezidive bei der Ermittlung des Rückfallrisikos berücksichtigen würden.

"Dadurch unterschätzen Biomarker-Tests das Risiko, erneut an Brustkrebs zu erkranken", heißt es in dem Broschürenentwurf weiter. Das Nutzenbewertungsinstitut ist sich bewusst, dass es mit diesen Aussagen provoziert. Aber: "Solange unklar ist, ob die Tests tatsächlich helfen, eine bessere Entscheidung für oder gegen eine Chemotherapie zu treffen, müssen Frauen auf die begrenzten Erkenntnisse über die Tests hingewiesen werden", sagte Dr. Klaus Koch, Ressortleiter Gesundheitsinformation beim IQWiG der "Ärzte Zeitung".

Neue Erkenntnisse

Die Patienten-Broschüre hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in Auftrag gegeben, weil für einige Biomarker-Tests noch Studien ausstehen, die Tests aber bereits eingesetzt werden. Das IQWiG hat die Broschüre auf Basis der Nutzenbewertung vom Jahresende 2016 verfasst.

Inzwischen liegen neue Daten für den Test Oncotype DX aus der deutschen PlanB-Studie mit mehr als 3000 Frauen vor . Seine Ergebnisse vom vergangenen Jahr sieht das IQWiG dadurch jedoch nicht in Frage gestellt. "Die neuen Studiendaten ändern nichts an unserer Gesamtbewertung", sagte der Autor der Nutzenbewertungsstudie Dr. Daniel Fleer der "Ärzte Zeitung".

Pathologen und Onkologen bewerten die Tests zum Teil jedoch ganz anders als das Institut. Im September bestätigten die 72 internationalen Experten der St.-Gallen-Konsensuskonferenz zur Behandlung des primären Mammakarzinoms mehrheitlich, dass sich aus dem Oncotype-Test eine Indikation für beziehungsweise gegen eine Chemotherapie ableiten lasse.

Auch Krankenkassen übernehmen immer häufiger die Kosten für die Tests. So hat etwa die Knappschaft einen Integrationsvertrag mit dem Hersteller des Oncotype DX und Pathologen geschlossen. Im Rahmen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung können die Tests ebenfalls eingesetzt werden.

Erst vor wenigen Tagen hat Genomic Health auf eine weitere Studie verwiesen, die Einsparungen für das Gesundheitswesen durch den Einsatz von Oncotype verspricht. Das Unternehmen zitiert den ehemaligen DAK-Chef Professor Herbert Rebscher als Co-Autor der Analyse, die am 9. November elektronisch im Fachmagazin "The Breast" veröffentlicht worden sei mit den Worten: "Der Einsatz des ‚Oncotype DX‘-Tests in der klinischen Praxis kann nicht nur unnötige Schäden und Beeinträchtigungen durch Chemotherapien verhindern, sondern auch hohe Kosten einsparen."

Bei etwa 20.000 Brustkrebspatientinnen pro Jahr sei der Therapienutzen unklar. Ihnen würde häufig eine Chemotherapie empfohlen, um eine Untertherapie zu vermeiden. Somit würden jedoch zahlreiche Patientinnen übertherapiert. Die Aussagekraft des Tests wird in dieser Studie allerdings vorausgesetzt.

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