Krebsscreening

Der positive Effekt von falsch-positiven Befunden

Die Diagnose Krebs nach einem Screening ist für alle Patienten ein Schock - selbst dann, wenn sie sich später als falscher Alarm entpuppt. Falsch-positive Befunde sind nicht selten, können aber einer US-Studie zufolge auch eine positive Wirkung haben.

Dr. Robert BublakVon Dr. Robert Bublak Veröffentlicht:
Mammografie: Bei regelmäßiger Nutzung sind falsch-positive Befunde nicht selten.

Mammografie: Bei regelmäßiger Nutzung sind falsch-positive Befunde nicht selten.

© Getty Images/iStockphoto

CLEVELAND. Falsch-positive Befunde sind eine Crux der Screenings, mit denen Krebserkrankungen möglichst früh aufgespürt werden sollen.

Ist deren Anteil hoch, der Test also wenig spezifisch, und ist die Prävalenz des gesuchten Tumors entsprechend niedrig, kann das sogar bedeuten, dass positive Befunde in der Mehrzahl als falscher Alarm zu werten sind.

Solche Konstellationen sind keine Seltenheit. Glen Taksler von der Cleveland Clinic in Ohio weist darauf hin, dass bis zu 60 Prozent der Frauen, die sich einer jährlichen Mammografie unterziehen, im Lauf von zehn Jahren einen falsch-positiven Befund erhalten (Cancer 2018, online 23. April).

Gleiches gilt für 10–12 Prozent der Männer, die regelmäßig ihr prostataspezifisches Antigen bestimmen lassen. Und 23 Prozent der Patienten, die ihren Stuhl regelmäßig auf okkultes Blut untersuchen lassen, erhalten laut Taksler ein positives Ergebnis, ohne dass in der anschließenden Koloskopie eine pathologische Veränderung aufgedeckt würde.

Daten von mehr als 90.000 Patienten ausgewertet

Nun ist auch ein falsch-positiver Befund zunächst einmal ein positiver Befund. Dass er falsch ist, stellt sich immer erst nachträglich heraus.

Die Betroffenen müssen also eine Zeit lang mit der Möglichkeit und der Angst leben, an Krebs erkrankt zu sein. Zusammen mit Kollegen hat Taksler sich gefragt, wie diese Erfahrung auf Menschen wirkt.

Speziell wollten die Forscher wissen, ob dieses Erlebnis von der künftigen Teilnahme an der Krebsfrüherkennung abschreckt – oder ob es vielleicht sogar dazu motiviert, weil die fälschlich mit einem positiven Befund Konfrontierten auch annehmen könnten, fast schon Krebs gehabt zu haben.

Um der Sache auf den Grund zu kommen, nutzten Taksler und Mitarbeiter die Daten in den elektronischen Krankenakten von mehr als 90.000 Patienten im Alter zwischen 50 und 75 aus den Jahren 2006 bis 2015.

Die Wissenschaftler sammelten dabei Angaben aus insgesamt gut 450.000 Personenjahren. 62 Prozent der Patienten hatten ein aktuelles Screening auf Darmkrebs durchlaufen, 85 Prozent der Frauen waren up to date bei der Brustkrebsfrüherkennung und 75 Prozent der Männer beim Screening auf Prostatakrebs.

29 Prozent der Brustkrebs-Gescreenten hatten falsch-positiven Befund

Mindestens ein falsch-positives Resultat erhalten hatten 29 Prozent der auf Brustkrebs, 3 Prozent der auf Prostatakarzinome und 2 Prozent der auf Kolorektalkrebs Gescreenten.

Falsch positive Brust- oder Prostatakrebsbefunde waren signifikant damit assoziiert, dass Betreffende beim Kolorektalkrebs-Screening auf neuestem Stand waren. Das Chancenverhältnis war bei Frauen bis zu knapp 50 Prozent und bei Männern um bis zu 60 Prozent erhöht.

Das Chancenverhältnis für eine aktuelle Teilnahme am Brustkrebs-Screening war für ehemals falsch positiv auf Brustkrebs getestete Frauen 1,4-mal erhöht bis verdoppelt.

Bemerkenswert: Besonders Patienten, die sogar eine – negativ ausgefallene – Biopsie hatten absolvieren müssen, hielten dem Krebs-Screening oft die Treue.

Einzig Frauen, die schon einmal ein falsch-positives Ergebnis eines Screenings auf Darmkrebs erhalten hatten, waren seltener zum aktuellen Termin für das Mammakarzinom-Screening erschienen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Der Nutzen im Schaden

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