Studie mit ehemaligen Radarsoldaten

Erbgutschäden durch Röntgenstrahlung?

Sind Eltern einer hohen Röntgenstrahlung ausgesetzt, hat dies offenbar auch Folgen für die nächste Generation. Das haben Forscher bei ehemaligen Radarsoldaten festgestellt.

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BONN. Bei Nachkommen von Radarsoldaten, die in ihrer Dienstzeit höheren Dosen von Röntgenstrahlen ausgesetzt waren, lassen sich mehr Erbgutveränderungen nachweisen als bei Familien ohne Strahlenexposition, meldet die Uni Bonn. Diese Beobachtungen (Sci Rep 2018, online 2. Oktober) sollen in einer größeren Studie überprüft werden.

Bis in die 1980er Jahre seien militärische Radaranlagen häufig unzureichend gegen Röntgenstörstrahlung abgeschirmt gewesen, die von den Verstärkerröhren der Radargeräte ausgesendet wurde, erinnert die Uni Bonn in ihrer Mitteilung. Diese Radar-Röntgenstrahlen konnten bei Bedienungs- und Wartungssoldaten zu Strahlenschäden führen.

Die Betroffenen haben sich im "Bund zur Unterstützung Radarstrahlengeschädigter" zusammengeschlossen. Im Jahr 2003 habe eine Expertenkommission Empfehlungen zu Entschädigungszahlungen gegeben.

Körperliche Behinderungen bei einigen Kindern festgestellt

Da bei einigen Kindern ehemaliger Radarsoldaten körperliche Behinderungen festgestellt worden seien, die von den Betroffenen auf die Strahlungsexposition der Väter zurückgeführt wurden, rückten nun die Nachkommen in den Fokus. Ob Radarstrahlung bei diesen Kindern zu Erbgutschäden führe, sei umstritten.

Dieser Frage ging jetzt ein Forscherteam der Charité-Universitätsmedizin Berlin, des Berlin Institute of Health (BIH), des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin, der Radboud University Nijmegen (Niederlande) und des Uniklinikums Bonn in einer Pilotstudie nach.

"Durch neueste Methoden der Hochdurchsatzsequenzierung können nun komplette Genome von Eltern und deren Kindern in kurzer Zeit untersucht werden. Damit lassen sich die Mutationsraten nach Strahlenexposition viel genauer als bisher bestimmen", wird Erstautor Dr. Manuel Holtgrewe von der Core Unit Bioinformatik (CUBI) des BIH und der Charité-Universitätsmedizin Berlin in der Mitteilung zitiert.

Genome von zwölf Familien untersucht

Die Wissenschaftler untersuchten die Genome von insgesamt zwölf Familien von Radarsoldaten. Die ganzen Genome von 18 Nachkommen und deren Eltern wurden sequenziert. Die exakte Strahlenexposition der Soldaten lässt sich im Nachhinein nicht mehr genau bestimmen.

Die Forscher schätzen aber, dass eine "hohe Dosis" an Röntgenstrahlung von den Radarsystemen ausging, zumal es bei den Radarsoldaten zu einer Häufung unter anderem von Krebserkrankungen kam.

Die Wissenschaftler verglichen die Mutationsraten in den Genomen der Radarsoldatenfamilien mit 28 Nachkommen von Eltern, die keiner Röntgenstrahlung ausgesetzt waren.

Im Fokus standen sogenannte "Multisite de novo Mutationen" (MSDN), die bereits an Mäusen als eine Folge von Röntgenstrahlung nachgewiesen wurden, wie die Uni Bonn berichtet. Eine MSDN liege dann vor, wenn zwei oder mehr Schäden benachbart auf einer Strecke von 20 Basenpaaren im Erbgutstrang auftreten.

Während bei den Familien ohne Strahlenexposition lediglich jeder fünfte Nachkomme eine MSDN aufwies, seien es in den Radarsoldatenfamilien zwei von drei Nachkommen gewesen. Insgesamt seien zwölf MSDNs bei den 18 Nachkommen von Radarsoldaten gefunden worden, bei einer Familie sogar sechs MSDNs bei drei Nachkommen.

Darüber hinaus wurden bei zwei Nachkommen noch Veränderungen an den Chromosomen nachgewiesen, die schwerwiegende klinische Konsequenzen hatten, heißt es in der Mitteilung.

Folgestudie geplant

Der Ursprung dieser Mutationen habe auch auf die väterliche Keimbahn zurückgeführt werden können und trete zufällig nur sehr selten auf.

"Die Ergebnisse unserer Pilotstudie legen nahe, dass sich eine Häufung an bestimmten Erbgutschäden durch Röntgenstrahlung in der Folgegeneration prinzipiell nachweisen lässt", so Professor Peter Krawitz vom Institut für Genomische Statistik und Bioinformatik am Uniklinikum Bonn in der Mitteilung.

Wie ausgeprägt die Häufung von Erbgutschäden durch Röntgenstrahlung tatsächlich ist, müssen erst noch größere Studien erweisen, deren Ergebnisse sich auf eine deutlich breitere Datenbasis stützen.

Ein Team um Krawitz plant derzeit eine solche Folgestudie zusammen mit dem Institut für Humangenetik des Universitätsklinikums Bonn, der Charité Berlin und dem BIH, die durch die Bundeswehr gefördert wird, so die Uni Bonn.

Ehemalige Radarsoldaten, die absehbar einer höheren Dosis an Röntgenstrahlung ausgesetzt waren, und deren Nachkommen können sich melden, wenn sie an dieser Untersuchung teilnehmen möchten. (eb)

Weitere Informationen, auch zur Studienteilnahme: www.igsb.uni-bonn.de/en/ research/radar

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