Onkologie

Immuntherapie erfordert neue Kriterien

Moderne Immuntherapien sind Anlass, neue Kriterien für das Therapieansprechen zu entwickeln. Sie tragen möglicherweise dazu bei, dass der klinische Nutzen der neuen Behandlungsformen, etwa mit Checkpointhemmern, nicht unterschätzt wird.

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Immuntherapie erfordert neue Kriterien

© Kwangmoozaa / Getty Images / iSt

Boston. Das Ansprechen auf eine Krebstherapie wird in der Regel anhand der RECIST-Kriterien beurteilt. Seit dem vergangenen Jahr liegt von der RECIST Working Group in den USA die neue Leitlinie iRECIST vor, die bei der Beurteilung des Therapieansprechens die besondere Situation bei immuntherapeutischen Behandlungen von Patienten mit soliden Tumoren berücksichtigt.

Zu dem andersartigen Muster gehört etwa, dass unter einer Immuntherapie zunächst die Tumorlast vorübergehend zunimmt, bevor es zu einem Ansprechen kommt. Oder es können neue Tumorläsionen entstehen, während ursprüngliche Läsionen auf die Behandlung ansprechen. Solche Muster haben möglicherweise zur Folge, dass der klinische Nutzen etwa von Checkpointhemmern unterschätzt wird, wie der Dermatologe Professor F. Stephen Hodi vom Dana-Farber Cancer Institute in Boston und seine Kollegen berichten (JCO 2018; 36: 850–858).

Die Ärzte haben nun die irRECIST-Kriterien (ir für immune-related) zu imRECIST (immunmoduliert) erweitert, und zwar auf der Basis von Studiendaten, die für den Checkpointhemmer Atezolizumab (Anti-PD-L1) bei Patienten mit nicht kleinzelligem Lungenkarzinom, metastasiertem Urothelkarzinom, Nierenzellkarzinom oder Melanom gewonnen wurden. Im Prinzip soll durch die Maßnahme ermöglicht werden, dass eine Immuntherapie fortgesetzt wird, die bei Anwendung der früheren Kriterien beendet worden wäre.

Zu den imRECIST-Kriterien gehört unter anderem, dass im Gegensatz zu RECIST von 2009 zusätzliche PET / CT-Aufnahmen auch nach einer radiologisch festgestellten Krankheitsprogression – bei Fortsetzen der Immuntherapie – gemacht werden können. Das gilt auch für den Zeitpunkt zur Beurteilung des besten Gesamtansprechens. Die Entstehung messbarer neuer Läsionen wird zusammen mit den ursprünglichen Läsionen in der Bestimmung der Gesamttumorlast berücksichtigt. Schließlich wird eine Progression von Nichtzielläsionen nicht als Fortschreiten der Tumorerkrankung gewertet. Bei der Definition des progressionsfreien Überlebens (PFS) werden Krankheitsprogression nach den imRECIST-Kriterien oder Tod als Ereignis gewertet.

Aus der Analyse von drei Studien geht hervor, dass bei Patienten mit NSCLC oder Urothelkarzinom die Gesamtansprechrate auf die Immuntherapie bei 15 bis 20 Prozent lag. Wie Hodi und seine Kollegen berichten, lag diese Rate um 1 bis 2 Prozent höher, wenn die imRECIST- statt der RECIST-Kriterien angewandt wurden. Die Tumorkontrollrate, definiert als Kombination aus komplettem und partiellem Ansprechen sowie stabiler Erkrankung, lag sogar um 8 bis 13 Prozent höher. Bei Anwendung von imRECIST wurde schließlich ein um 0,5 bis 1,5 Monate längeres progressionsfreies Überleben erzielt. Der Unterschied war bei NSCLC-Patienten deutlicher als bei Patienten mit einem Urothelkarzinom (4,2 versus 2,7 bzw. 2,6 versus 2,1 Monate). Nach Angaben der Ärzte war das progressionsfreie Überleben allgemein betrachtet mit einem längeren oder ähnlichen Gesamtüberleben assoziiert.

Wurden die imRECIST-Kriterien zur Beurteilung des Therapieansprechens verwendet, war das Gesamtüberleben bei Patienten mit NSCLC deutlich länger als bei Anwendung der traditionellen RECIST-Kriterien. Den Analysen zufolge war es bei Patienten, die nach 90 Tagen noch am Leben waren, 1,4 bis vier Monate länger. Und nach acht Monaten lebten 9 bis 28 Prozent mehr Patienten der Gruppe, bei denen eine Krankheitsprogression nach den RECIST-Kriterien bestanden hatte, und zwar im Vergleich zu Patienten, bei denen sich sowohl nach RECIST- als auch nach imRECIST-Kriterien eine Krankheitsprogression herausgestellt hatte. Bei Patienten mit Urothel-Ca gab es keine Unterschiede beim Gesamtüberleben.

Verallgemeinern lassen sich die bisherigen Beobachtungen nicht, unter anderem, weil nur ein Checkpointhemmer vom Typ Anti-PD-L1 betrachtet worden ist, und dies nur bei ausgewählten Tumorentitäten. Zudem sind die Kriterien primär zur Anwendung in klinischen Studien gedacht. Die aktuellen Daten müssen in prospektiven Studien überprüft werden. Hodi und Kollegen erinnern zudem daran, dass noch kein Zusammenhang entdeckt wurde zwischen der Expression von PD-L1 auf Tumorzellen oder tumorinfiltrierenden Immunzellen und einer Pseudoprogression, wie sie durch irRECIST-Kriterien definiert wird.

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