Therapie beim Lungenkarzinom - Hoffnungsträger ante portas

Das Bronchialkarzinom ist der häufigste bösartige Tumor bei Männern und gehört zu den häufigsten Krebserkrankungen bei Frauen. Hauptursache ist das Rauchen. Dabei hängt das Karzinomrisiko sowohl von der Zahl der gerauchten Zigaretten als auch von den pack years - das Rauchen einer Schachtel Zigaretten pro Tag über ein Jahr - ab. Je früher die Patienten mit dem Rauchen beginnen, desto höher ist das Risiko.

Veröffentlicht:

Christina Ott

Die Entwicklung bei bösartigen Neubildungen, die mit dem Rauchen in Verbindung gebracht werden können, ist wenig erfreulich. Und dies vor allem bei Frauen. Wie das Statistische Bundesamt am 22. März 2005 in einer Pressemitteilung bekanntgegeben hat, ist die Zahl der Todesfälle bei Frauen aufgrund bösartiger Neubildungen in Bronchien und Lunge in den Jahren 1984 bis 2003 um 92 Prozent gestiegen. Waren es im Jahre 1984 noch 5 658 Todesfälle, so belief sich die Zahl 2003 bereits auf 10 833.

Stadieneinteilung bei NSCLC
Stadien Tumorausbreitung
Stadium I Tumordurchmesser = 3 cm
Stadium II

Tumordurchmesser > 3 cm oder Befall des Hauptbronchus

Stadium IIIA

Befall von Brustwand / Zwerchfell / Perikard / Pleura oder Befall ipsilateraler Lymphknoten

Stadium IIIB Infiltration der mediastinalen Strukturen oder Befall kontralateraler Lymphknoten
Stadium IV Fernmetastasen
Quelle: nach den Regeln der UICC (International Union against Cancer), Tabelle: ÄRZTE ZEITUNG
Etwa 80 Prozent aller Bronchialkarzinome sind nicht-kleinzellige Karzinome (NSCLC). Diese werden abhängig von der anatomischen Tumorausbreitung und Metastasierung in verschiedene Stadien eingeteilt.

In relativen Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, daß 1984 vier von 100 000 Frauen an den Folgen dieser Krebserkrankungen starben, 20 Jahre später waren es bereits 24. Lungenkrebs steht bei Frauen somit auf Platz 10 in der Statistik der häufigsten Todesursachen. Wie Professor Christian Manegold vom Klinikum Mannheim beim 46. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie in Berlin gesagt hat, holen die Frauen hier kräftig auf.

Bei Männern nehmen die "Bösartigen Neubildungen der Bronchien und der Lunge" Platz 3 in der Statistik der häufigsten Todesursachen ein. Das heißt, im Jahr 2003 sind 28 652 Männer aufgrund dieser Erkrankung gestorben. Im Gegensatz zu den Frauen hat die Inzidenz bei Männern hier seit den 80er Jahren ein Plateau erreicht.

Exogene und endogene Risikofaktoren sind bekannt

Der Lungenkrebs (Bronchialkarzinom) ist eine der wenigen Krebsarten, deren Hauptrisikofaktor zweifelsfrei feststeht: das inhalative Rauchen. Nach Angaben der deutschen Krebsgesellschaft enthält Zigarettenrauch - ähnliches gilt für andere Tabakprodukte - über 4000 verschiedene chemische Bestandteile, von denen 43 nachweislich Krebs auslösen: 80 bis 90 Prozent aller Lungentumoren sind auf das Rauchen zurückzuführen.

Als weitere exogene Risikofaktoren gelten Stoffe wie Asbest, Nickel, polyzyklische Kohlenwasserstoffe, Arsen, Radon sowie Chrom und Uran. Und: die - seit Wochen für Schlagzeilen sorgende - hohe Schadstoffbelastung der Außenluft durch Auto- und Industrieabgase, vor allem Dieselruß. Bei Chemiearbeitern (durch karzinogene Halogenäther) und Winzern (durch arsenhaltige Schädlingsbekämpfungsmittel) oder bei Asbestose wird Lungenkrebs als Berufskrankheit anerkannt.

Als endogener Risikofaktor wird vor allem eine genetische Prädisposition vermutet. So besteht ein 2,5fach erhöhtes Risiko bei Verwandten 1. Grades. Fraglich ist hierbei, ob wirklich genetische oder / und gemeinsame Umweltfaktoren ursächlich sind. Denn es konnte zudem gezeigt werden, daß Zigarettenrauchkondensate dosisabhängig Läsionen der zellulären DNS erzeugen und Chromosomale Aberrationen vermehrt bei schweren Rauchern auftreten.

Lungenkrebs wird meist erst (zu) spät diagnostiziert

Das Hauptproblem in der Therapie von Patienten mit Lungenkrebs ist die meist erst späte Diagnose, vor allem aufgrund von unspezifischen Beschwerden. Werden bösartige Lungentumoren in einem frühen Stadium erkannt, so geschieht dies meist durch Zufall, zum Beispiel durch Röntgenuntersuchungen aus einem anderen Grund.

Um so wichtiger ist es, auch bereits bei unspezifischen Symptomen aufmerksam zu werden. Dazu zählen zum Beispiel: neu einsetzender Husten, der sich trotz Antibiotika-Behandlung hartnäckig hält, Auswurf, Fieberschübe, pfeifende Atmung, Heiserkeit, Schmerzen im Brustbereich, Abgeschlagenheit sowie ungewollter Gewichtsverlust.

Therapie hängt vom histologischen Typ und der Tumorausdehnung ab

Die Therapie von Patienten mit Lungenkrebs hängt primär vom histologischen Typ sowie von der Tumorausdehnung ab. Auch aufgrund der unterschiedlichen Empfindlichkeit, besonders für eine Chemotherapie, wird bei der Therapie zwischen nicht-kleinzelligen (NSCLC) und kleinzelligen Bronchialkarzinomen (SCLC) unterschieden.

Etwa 20 Prozent der Bronchialkarzinome werden den SCLC zugeordnet und bis zu 80 Prozent den NSCLC. Letztere unterteilen sich zu 35 bis 40 Prozent in Plattenepithelkarzinome, zu 25 bis 30 Prozent in Adenokarzinome und zu fünf bis zehn Prozent in großzellig-anaplastische Karzinome.

Patienten mit SCLC werden in der Regel nicht operiert. Kleinzellige Bronchialkarzinome sind besonders empfindlich für eine Chemo- und Strahlentherapie. Die Chemotherapie hat unter anderem den Vorteil, daß Fernmetastasen, die bei etwa 80 Prozent der Patienten zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits vorhanden sind, miterfaßt werden. Die Chemotherapie wird durch die Strahlentherapie ergänzt.

Die Therapiestrategie beim NSCLC hängt vom Stadium ab. Im Stadium I und II sollten die Karzinome, wenn möglich, operativ entfernt werden. Eine Operation ist so lange möglich, wie keine Fernmetastasen vorliegen. Nach der Operation sollten die Patienten bestrahlt werden, sofern Lymphknotenmetastasen vorliegen, respektive Nachbarstrukturen betroffen sind. Patienten mit Fernmetastasen und /oder ausgedehnten, das heißt besonders großen und daher nicht operablen Tumoren, werden bestrahlt und erhalten eventuell eine Chemotherapie.

Als Standard in der First-line-Therapie wird heute eine platinhaltige Zweierkombination angesehen. Dabei werden Cisplatin oder Carboplatin kombiniert mit einem Taxan wie Docetaxel (Taxotere®), mit Gemcitabin (Gemzar®), Vinorelbin (Navelbine®), Etoposid, Ifosamid, Mitomycin C oder Vinblastin. Komme Platin aufgrund von Nierenversagen, Herzinsuffizienz oder schlechtem Allgemeinbefinden nicht in Frage, sei eine Monotherapie mit Docetaxel sinnvoll, sagt Professor Rudolf Huber aus München.

Im vergangenen Jahr ist Pemetrexed (Alimta®) auch in Monotherapie für Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem NSCLC mit vorangegangener Chemotherapie zugelassen worden. In einer Studie bei NSCLC wurde mit Pemetrexed eine Überlebenszeit von 8,3 Monaten erreicht, mit der Vergleichssubstanz Docetaxel von 7,9 Monaten.

Neue Hoffnungen setzen die Krebs-Forscher zunehmend in zielgerichtete Therapien. Ein Ansatzpunkt hierbei ist der epidermale Wachstumsfaktor-Rezeptor EGFR (Epidermal Growth Factor Receptor), der auch bei NSCLC übermäßig synthetisiert wird.

Der orale Tyrosinkinase-Hemmer Erlotinib (Tarceva®) besetzt eine Bindungsstelle der intrazellulären Tyrosinkinase des EGF-Rezeptors und hemmt somit das Tumorwachstum. In einer randomisierten und Placebo-kontrollierten Phase-III-Studie betrug die mediane Überlebenszeit 6,7 Monate im Vergleich zu 4,7 Monaten mit Placebo. Dies entspricht einer Verbesserung von 43 Prozent. Erlotinib ist bereits in den USA und in der Schweiz zugelassen; für die EU ist die Zulassung beantragt.

Angiogenese- und Enzym-Hemmer geben Anlaß zur Hoffnung

Die aktuelle Auswertung einer Phase-III-Studie zeigt zudem für den Angiogenese-Hemmer Bevacizumab (Avastin®) eine signifikante Verlängerung des Überlebens von Patienten mit NSCLC. Die Patienten erhielten die Chemotherapie Paclitaxel plus Carboplatin mit Bevacizumab oder Placebo. Die Studie wurde jetzt beendet, da der definierte Endpunkt für die Wirksamkeit frühzeitig erreicht worden ist.

Ein weiterer Hoffnungsträger ist der Enzym-Hemmer Lapatinib, der sich gegenwärtig in der frühen Phase III der Entwicklung befindet. Das Besondere dieses Wirkstoffes ist der duale Ansatz: Lapatinib hemmt über die Blockade von zwei unterschiedlichen Zellrezeptoren (erbB1 und erbB2) die intrazelluläre Kinaseaktivität und dadurch das Wachstum der Tumorzellen.

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