Onkologische Forschung

Melanom-Zellen werden in Tiefschlaf versetzt

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BERLIN. Forscher haben dem Melanom Einhalt geboten, indem sie ein Schutzprogramm in den Krebszellen reaktivierten und so das Wachstum stoppten (Cancer Cell 2018, 33(2): 322–336.e8).

Ein Zellteilungsstopp (zelluläre Seneszenz) verhindert normalerweise, dass aus mutierten Zellen Tumoren werden, erklärt das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) zur Veröffentlichung der Studie.

Die Zellen fallen in "Tiefschlaf". Epigenetische Markierungen an den Eiweißbausteinen des Erbguts erhalten diesen Schutz aufrecht. Bei Krebs radieren Demethylase-Enzyme diese Markierungen oft aus. Werden die Enzyme gehemmt, kann das Schutzprogramm erneut starten. Die Entdeckung habe Potenzial für künftige Kombitherapien, so das MDC.

Das internationale Forschungsteam um Professor Clemens A. Schmitt von der Charité - Universitätsmedizin Berlin, vom MDC und vom Berliner Institut für Gesundheitsforschung (BIH) hat für die Studie fast 500 Gewebeproben von Melanom-Patienten untersucht, wie das MDC berichtet.

Bei etwa einem Drittel der Proben hätten die Forschenden eine deutliche Mehrproduktion solcher Demethylasen, die das Schutzprogramm hemmen können, gefunden.

Aktivität von Enzymen blockiert

In Melanom-Zellkulturen sowie bei Mäusen und Zebrafischen mit Melanom veränderten die Forscher die Aktivität dieser Enzyme genetisch und blockierten sie gezielt mit chemischen Wirkstoffen. Die Zellen fielen daraufhin in den Seneszenz-Schlaf und teilten sich nicht mehr.

Das Experiment sei sogar bei Mäusen mit implantierten menschlichem Melanom-Gewebe erfolgreich gewesen, so das MDC – eine bedeutsame Information für eine mögliche zukünftige Patientenanwendung. Eine der Substanzen werde derzeit als Medikament gegen Lungen- und Blutkrebs in klinischen Studien erprobt.

Bei Untersuchungen an Melanom-Proben von Mäusen beobachtete das Forschungsteam, dass Immunzellen ins Tumorgewebe einwanderten, nachdem sie das Seneszenz-Programms mit Medikamenten reaktiviert hatten, wie das MDC weiter berichtet. Auch diese wichtige Erkenntnis wäre ohne Tierversuche nicht möglich gewesen.

Neben dem programmierten Zelltod ist die zelluläre Seneszenz eine wesentliche Verteidigungslinie des Körpers gegen Krebs. Das Schutzprogramm legt Gene, die die Zellteilung steuern, epigenetisch still. Methyltransferase-Enzyme markieren dafür Histon-Proteine, auf die das Erbgut aufgewickelt ist.

Diese Markierung inaktiviert den Histon-benachbarten DNA-Abschnitt. Schmitt und sein Team untersuchten zwei unterschiedliche Demethylase-Enzyme, die als Gegenspieler diesen Prozess rückgängig machen. Sie sind für die Seneszenz-Kontrolle entscheidend, da sie die Histon-Markierung wieder "ausradieren".

Forscher sieht großes Potenzial

Für Schmitt birgt der entdeckte Seneszenz-Mechanismus wegen der beobachteten Einwanderung von Immunzellen in den Tumor Potenzial für eine neue Art von Kombinationstherapie.

"Wir vermuten, dass Demethylase-Blocker zusammen mit einer zielgerichteten Immuntherapie besonders wirksam sein könnten", wird Schmitt in der Mitteilung des MDC zitiert. Schmitt ist der stellvertretende Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie der Charité.

Vielversprechend sei dies vor allem bei der Bekämpfung von Melanomen, die sich schlecht mit einer Chemotherapie, aber besser mithilfe neuartiger Immuntherapien bekämpfen lassen.

Schmitt und seine Kollegen wollen nun in klinischen Studien überprüfen, wie gut sich Immun- und Seneszenz-wiederherstellende Therapien kombinieren lassen. (eb)

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