Onkologie

Neuer Wirkstoff lässt Hodentumoren schrumpfen

Die Substanz JQ1 – ursprünglich als Verhütungsmittel für Männer gedacht – verändert die Genaktivität in Zellen. Krebszellen reagieren darauf mit Apoptose.

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BONN. Ein neuer Wirkstoff hilft möglicherweise bei schweren Formen von Hodenkrebs, wenn andere Therapien nur ungenügend ansprechen.

In Mäusen tötet die Substanz entartete Zellen ab und lässt Hodentumoren schrumpfen, haben Forscher der Uni Bonn beobachtet (Journal of Cellular and Molecular Medicine 2016,online 27. Dezember). Untersuchungen am Menschen stehen allerdings noch aus.

JQI beeinflusst, welche Gene abgelesen werden

Der Substanz, um die es geht, ist der Wirkstoff mit dem kryptischen Namen JQ1. JQ1 unterbindet die Reifung der Spermien. Man dachte daher, er könne in einer Art "Pille für den Mann" zum Einsatz kommen, teilt die Universität Bonn mit. Stattdessen könnte er sich möglicherweise als Krebsmedikament eignen.

Damit die DNA in die Zellkerne passt, ist sie um kleine Proteinbälle gewickelt – die Histone. Die Histone übernehmen aber nicht nur eine ordnende Funktion, erläutert die Universität Bonn in ihrer Mitteilung: Die Methyl- oder Acetylgruppen, mit denen sie versehen sind, signalisieren der Synthesemaschinerie in der Zelle, ob die DNA an dieser Stelle abgelesen werden soll oder nicht.

"JQ1 inhibiert jene Proteine, die diese Histon-Markierungen ablesen und verändert so die Genaktivität in der Zelle", wird Professor Hubert Schorle vom Institut für Pathologie der Universität Bonn zitiert.

Die Krebszellen reagieren auf diese Änderungen sehr empfindlich: Sie aktivieren die Apoptose. "In einem Hodenkrebs-Mausmodell begannen die Tumoren nach JQ1-Gabe daher zu schrumpfen", berichtet die Erstautorin der Studie Sina Jostes in der Mitteilung. "Gesunde Hautzellen scheinen dagegen JQ1 sehr gut zu tolerieren."

In Kombination besonders wirksam

Neben JQ1 kennt man außerdem Wirkstoffe, die direkt die Markierung der Histone verändern. Einer davon ist Romidepsin. Die Bonner Arbeitsgruppe habe kürzlich nachgewiesen, dass Romidepsin ebenfalls Hodenkrebszellen sehr effektiv bekämpft (Oncotarget 2016, 7, 46:74931-74946), erinnert die Universität Bonn. Anders als JQ1 ist die Substanz bereits zur Therapie in der Onkologie zugelassen.

"Wir haben in unserer Studie Mäuse sowohl mit JQ1 als auch mit Romidepsin behandelt", wird Dr. Daniel Nettersheim, welcher die Studien mitplante, zitiert. "Dadurch konnten wir mit relativ geringen Mengen beider Substanzen eine ähnliche Wirkung erreichen, wie mit JQ1 oder Romidepsin alleine. Eine solche Kombinationstherapie zur Behandlung von Hodentumoren wäre womöglich deutlich besser verträglich. Auch Chemotherapie-resistente Patienten könnten davon profitieren."

Ob sich diese Hoffnung bewahrheitet, muss sich allerdings noch in klinischen Studien zeigen.

An den Studien waren neben Wissenschaftlern der Universität Bonn, Forscher der Universität St. Gallen und der Harvard Medical School beteiligt. (eb)

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