Hausärzte sitzen bei der Vorsorge gegen Darmkrebs am Schalthebel

Im Dreh- und Angelpunkt zur Verhütung von Darmkrebs befinden sich die niedergelassenen Kollegen. Ihnen kommt die Aufgabe zu, Patienten für gesunden Lebensstil und Früherkennung zu gewinnen. Den Weg zur Prävention ebnet die Aufklärung, etwa zum "Darmkrebsmonat März". Denn solche Aktionen sensibilisieren die Bevölkerung für die Empfehlungen der Ärzte.

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Die entscheidende Botschaft lautet: Bei keinem anderen Tumor ist die Vorsorge so effektiv wie beim Darmkrebs: Wegen des langsamen Fortschreitens der malignen Entartung - bis zu zehn Jahren - lassen sich schon Polypen oder frühe Karzinome erwischen. Solche Veränderungen werden mit der Koloskopie bei jedem Dritten entdeckt. Die verstärkte Aufklärung hat bereits Erfolg gezeitigt: "Von Oktober 2002 bis Ende 2007 haben 2,8 Millionen Menschen, davon 57 Prozent Frauen, eine Vorsorge-Koloskopie machen lassen. Das sind immerhin 14 Prozent der Anspruchsberechtigten", berichtet Dr. Christa Maar vom Vorstand der Felix-Burda-Stifung.

Diese Stiftung wurde 2001 gegründet mit dem Vorsatz, die Darmkrebs-Sterberate in Deutschland drastisch zu reduzieren. Frau Maars Engagement geht auf ein Unglück in der eigenen Familie zurück: Ihr Sohn Felix starb im Alter von 33 Jahren an Darmkrebs. Um solche Schicksale zu verhindern, sind weitere Anstrengungen dringend erforderlich. Realistisches Ziel ist eine Teilnehmerrate der Koloskopie von 40 Prozent.

Eine aktuelle Praxisstudie aus Herne bestätigt deren Nutzen: Wird ein Tumor gefunden, ohne dass schon Beschwerden bestehen, haben die Patienten eine wesentlich bessere Prognose, als wenn bereits ein begründeter Verdacht besteht. Von jenen 46 Patienten, bei denen durch die Vorsorge-Koloskopie ein Karzinom gefunden worden war, starben während vier Jahren 2 - und nicht einmal an Darmkrebs. Jedoch starben 20 jener 100 Patienten, bei denen die Indikations-Koloskopie ein Karzinom ergeben hatte - alle an Darmkrebs. Die Erklärung für diese Differenz: Liegen Symptome vor, ist meist schon ein Spätstadium erreicht.

Dass Aufklärung die Koloskopie-Rate steigert, belegt eine Umfrage unter 600 Darmkrebs-Patienten: 27 Prozent der aufgeklärten Geschwister nahmen sie in Anspruch, aber nur 20 Prozent der nicht informierten. Auch die Einladung bietet eine Perspektive: Wissenschaftler in Oberitalien forderten knapp 19 000 Menschen brieflich zu Vorsorge-Checks auf. Knapp ein Drittel nahm das Angebot an. Ergebnis: Um eine fortgeschrittene Neoplasie zu entdecken, müssen 264 Menschen zu einem Test auf okkultes Blut im Stuhl und 53 zur Koloskopie eingeladen werden. Noch dieses Jahr wird auch in ausgewählten Regionen Deutschlands ein Einladungsprojekt anlaufen, wie Professor Jürgen Riemann aus Ludwigshafen mitgeteilt hat.

Besonders wichtig ist es, Männer zu motivieren. Einerseits nehmen sie seltener an Vorsorge-Koloskopien teil, andererseits haben sie ein größeres Darmkrebsrisiko als Frauen: In der Studie aus Herne war es verdoppelt (1,4 versus 0,6 Prozent). Nach polnischen Daten müssen, um eine fortgeschrittene Neoplasie zu entdecken, deutlich weniger Männer als Frauen koloskopiert werden: bei 60- bis 66-Jährigen nur 10 versus 18. (ars)

So motivieren Sie Ihre Patienten

Die Kollegen sollten es den Patienten überlassen, sich für eine Form der Früherkennung zu entscheiden, rät Professor Jürgen Riemann. Wenn jemand den Goldstandard Koloskopie ablehne, sei es besser, wenigstens Tests zu machen als alles zu verweigern. Hausärzte, die ihre Patienten motivieren, haben in aller Regel die Möglichkeit, das extrabudgetär und zu festen Punktwerten abzurechnen. Für die Beratung gilt die EBM-Ziffer 01740 (230 Punkte). Dieses Angebot könnten die Kollegen stärker als bisher nutzen. Weiterhin ist eine Familienanamnese sinnvoll. Denn in Deutschland erkranken mehr als 20 000 Menschen jährlich an Darmkrebs, weil sie die Veranlagung dazu besitzen. Fragebögen zum erhöhten Darmkrebsrisiko können auf der Website www.netzwerk-gegen-darmkrebs.de heruntergeladen und im Wartezimmer ausgelegt werden. (ars)

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