Arbeitsmedizin

Lösemittel verursacht Leberkrebs

Trichlorethen wird in einigen Industriezweigen als Lösungsmittel verwendet. Jetzt zeigt eine Metaanalyse: Der Stoff erhöht wohl das Leberkrebs-Risiko.

Von Dr. Elke Oberhofer Veröffentlicht:
Lackierer, die heutzutage mit Lösungsmitteln arbeiten, müssen sich entsprechend schützen.

Lackierer, die heutzutage mit Lösungsmitteln arbeiten, müssen sich entsprechend schützen.

© Stefan Hasenhündl / fotolia.com

KOPENHAGEN. Grundlage für die Analyse bilden drei Studien aus Finnland, Schweden und Dänemark mit insgesamt über 5500 Teilnehmern, die zwischen 1947 und 1989 an ihrem Arbeitsplatz dem Lösungsmittel Trichlorethen (TCE) ausgesetzt waren.

Die TCE-Exposition wurde über den TCE-Metaboliten TCA (Trichloressigsäure) im Urin bestimmt.

In der rund 40-jährigen Nachbeobachtungszeit waren 997 Teilnehmer an Krebs erkrankt (J Natl Canc Inst 2013; online 1. Juni). Die Gesamtkrebsrate lag damit nur wenig höher als in der Normalbevölkerung (hier wäre mit 942 Krebsfällen zu rechnen gewesen).

Signifikant erhöht war dagegen das Risiko, einen Tumor der Leber zu entwickeln. Die Autoren um Johnni Hansen vom Danish Cancer Society Research Center in Kopenhagen ermittelten für diese Tumorart ein standardisiertes Inzidenzverhältnis (SIR = Standardized Incidence Ratio) von 1,93.

Auch für das Zervixkarzinom hatte sich ein signifikanter Anstieg ergeben (SIR = 2,31), allerdings beruht dieser Wert auf nur 16 nachgewiesenen Fällen.

TCE wird seit Beginn der Industrialisierung als Reinigungs- und Entfettungsmittel in vielen Industriezweigen verwendet. Die Substanz gilt heute als neurotoxisch. Sie steht außerdem bereits seit Jahrzehnten im Verdacht, Krebs, vor allem der Niere, auszulösen.

Risiko für Nierentumor durch TCE scheinbar nicht erhöht

Dennoch war sie bis in die frühen 1970er-Jahre auch in Deutschland verbreitet, beispielsweise in der metallverarbeitenden Industrie, in der Druckindustrie, in Kartonagenfabriken oder in der chemischen Reinigung.

 In den letzten Jahrzehnten ist der Einsatz von TCE stark zurückgegangen, nachdem sich Berichte aus Tierversuchen und epidemiologischen Studien über eine mögliche kanzerogene Wirkung des Lösungsmittels gehäuft hatten.

Die Befürchtung, dass TCE das Nierenkarzinomrisiko erhöht, scheint sich nach den aktuellen Daten allerdings nicht zu bestätigen. In der Hansen-Studie waren innerhalb von 40 Jahren nur 32 Teilnehmer an einem Nierentumor erkrankt. Dies entspricht fast exakt dem erwartbaren Risiko in der Normalbevölkerung (SIR 1,01).

Auch für das Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) liefern die Kohortenstudien aus Skandinavien wenig Greifbares: Zwar fand sich eine klare Assoziation zur TCE-Exposition bei Männern (SIR 1,55), nicht jedoch bei Frauen (SIR 0,63). Die Gesamtrate für beide Geschlechter lag bei 1,26.

Wie Dr. Mark P. Purdue vom National Cancer Institute im US-amerikanischen Bethesda anmerkt, lässt sich nicht sagen, in welchem Ausmaß die gemessene TCA-Konzentration im Urin die kumulative Dosis im Körper widerspiegelt.

Nur beim Zervixkarzinom war das Krebsrisiko direkt proportional zur Höhe der TCA-Werte im Urin gestiegen. Die geringe Zahl der Fälle bei den einzelnen Tumorarten, nicht nur beim Zervixkarzinom, begrenze insgesamt die Aussagekraft der Metaanalyse, so Purdue weiter.

Experten fordern weitere Studien für verbindliche Grenzwerte

Dennoch begrüßt der Kommentator die Entscheidung der International Agency for Research on Cancer: Diese hatte TCE erst im letzten Jahr als definitiv kanzerogen auch für den Menschen eingestuft (Gruppe 1).

In der aktuellen Metaanalyse war das Nierenkarzinomrisiko in der Gruppe mit TCA-Spitzenkonzentrationen von über 50 mg/l zweifach gegenüber Werten von unter 5 mg/l erhöht, wenngleich die Schwelle zur Signifikanz nicht erreicht wurde.

Auch dies deute auf einen dosisabhängigen Effekt hin, so der Experte. Er forderte weitere Studien, um verbindliche Grenzwerte für die TCE-Exposition festlegen zu können.

Für Europa empfiehlt der Wissenschaftliche Ausschuss für Maximale Arbeitsplatzkonzentrationen derzeit Luftgrenzwerte von 10 ppm (54,7 mg/m3) für eine Acht-Stunden-Schicht.

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