Abgase

Wohnen in Autobahnnähe lässt Krebsrisiko nach oben schießen

Benzol in Abgasen führt wohl dazu, dass Kinder, die in der Nähe von Autobahnen wohnen, ein erhöhtes Leukämierisiko haben. Diesen Zusammenhang belegt jetzt eine aktuelle Studie.

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BERN. Kinder, die in der Nähe von stark befahrenen Straßen wohnen, haben wahrscheinlich ein erhöhtes Risiko, an Leukämie zu erkranken. Berner Mediziner fanden einen Zusammenhang zwischen dem Wohnort und den in der Schweiz registrierten Krebsfällen bei Kindern (Eur J Epidemiol 2015; online 2. November).

Die Studie des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern basiert auf Daten des Schweizer Kinderkrebsregisters (SKKR) und der Schweizerischen National Kohorte (SNC), die alle in den Volkszählungen 1990 und 2000 erfassten Kinder einschließt.

Dies sind insgesamt über zwei Millionen, heißt es in einer Mitteilung der Uni Bern. Aus dem SKKR wurden alle im Zeitraum 1985 bis 2008 registrierten Krebsdiagnosen bei Kindern unter 16 Jahren eingeschlossen.

Um festzustellen, welche Kinder erkrankten, verlinkten die Forscher anonyme Datensätze des SNC und SKKR miteinander. Genaue Koordinaten des Wohnorts zum Zeitpunkt der Volkszählung waren für nahezu alle Kinder bekannt.

Einteilung in Distanzkategorien

Das Team untersuchte nun, ob Kinder, die sehr nahe an Autobahnen oder Kraftfahrstraßen aufwuchsen, ein erhöhtes Krebsrisiko aufwiesen. Die Forscher teilten die Wohnorte der Kinder zum Zeitpunkt der Volkszählung in verschiedene Distanzgruppen ein (weniger als 100 Meter, 100-250 Meter, 250-500 Meter und über 500 Meter von der nächsten Autobahn oder Schnellstraße entfernt).

Anschließend wurden die bis zum Jahr 2008 auftretenden Krebserkrankungen erfasst. Dann verglichen die Forscher die Leukämiehäufigkeit in den verschiedenen Distanzkategorien.

Bei einer zweiten Untersuchungsmethode wurde aufgrund der Volkszählungsdaten abgeschätzt, wie viele Personenjahre insgesamt von allen in der Schweiz wohnhaften Kindern in den verschiedenen Distanzgruppen zwischen 1985 und 2008 durchlebt wurden - für jedes gelebte Kalenderjahr trägt ein Kind ein Personenjahr bei.

Auch hier wurde die Leukämie-Inzidenzrate zwischen den Distanzgruppen verglichen. Bei der ersten Methode waren die Fallzahlen kleiner (insgesamt 1783 Krebsfälle) als bei der zweiten Methode (4263 Krebsfälle). Dies liegt daran, dass bei der ersten Methode nur Kinder eingeschlossen werden konnten, die man gerade zum Zeitpunkt der beiden Volkszählungen erfasst hatte.

Die zweite Methode orientiert sich hingegen an einem größeren Zeitraum und umfasst somit mehr Personenjahre, ist aber aufgrund teilweise fehlender Daten vor und nach den Volkszählungen weniger präzise.

Beide Methoden zeigten sehr ähnliche Resultate, wie die Autoren in der Mitteilung erläutern: Für Leukämien wurde bei Kindern in der Distanzkategorie unter 100 Meter ein um 47 Prozent (erste Methode), beziehungsweise 57 Prozent (zweite Methode) erhöhtes Risiko gefunden im Vergleich zu Kindern, die mehr als einen halben Kilometer zur nächsten Autobahn oder Schnellstraße wohnten.

Signifikanter Unterschied

"Zwar erkrankten in dieser Distanzkategorie im Beobachtungszeitraum ‚nur‘ 30 Kinder an Leukämien", wird Studienautorin Claudia Kuehni zitiert.

"Bezogen auf die Personenjahre entspricht dies jedoch einer Leukämierate von 7,2 Fällen pro 100.000 Personenjahre im Vergleich zu 4,5 Fällen pro 100.000 Personenjahren bei Kindern, die weiter als 500 Meter von einer Autobahn oder Autostraße entfernt lebten." Dieser Unterschied sei trotz der tiefen Fallzahlen statistisch signifikant.

Bei einer Unterteilung nach Altersklassen zeigte sich, dass sich die Risikoerhöhung auf 0- bis 4-jährige Kinder beschränkt. "In dieser Altersgruppe war das Leukämierisiko bei einem Wohnort innerhalb 100 Meter neben einer Autobahn etwa doppelt so hoch wie bei einem Abstand der Wohnung von 500 Metern oder mehr", sagt der Autor Ben Spycher.

Bei den anderen Distanzkategorien sowie für andere Krebsarten, etwa Hirntumore und Lymphome, fanden die Forscher keine klaren Hinweise auf ein erhöhtes Risiko. Die Tatsache, dass nur bei Leukämien ein erhöhtes Risiko gefunden wurde, könnte laut den Autoren auf Benzol als mögliche Ursache hinweisen.

Die Forscher untersuchten auch, ob sich ihre Resultate eventuell durch andere Faktoren erklären ließen wie sozio-ökonomische Unterschiede, ionisierende Hintergrundstrahlung aus dem Weltall und dem Erdgestein oder Distanz zu Hochspannungsleitungen.

Doch dies war aber nicht der Fall: "Insgesamt deuten die Resultate tatsächlich darauf hin, dass Luftverschmutzung durch den Verkehr das Risiko für Kinderleukämien erhöhen kann, insbesondere im Kleinkindalter", so Kuehni. (eb)

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