Spezielle Betreuung bei erblichem Brustkrebsrisiko

Frauen mit einer BRCA-Mutation - von der es drei Varianten gibt - haben ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs. Zum strukturierten, intensivierten Früherkennungsprogramm gehört die MRT alle zwölf Monate.

Von Ingeborg Bördlein Veröffentlicht:
Die MRT gehört zum intensivierten Früherkennungsprogramm bei Frauen mit erblichem Brustkrebsrisiko.

Die MRT gehört zum intensivierten Früherkennungsprogramm bei Frauen mit erblichem Brustkrebsrisiko.

© dpa

KÖLN. Zu den zwei Hochrisikogenen für Brustkrebs BRCA1 und BRCA2 hat sich inzwischen ein weiteres gesellt: das RAD51C-Gen.

Bei Frauen mit einer BRCA-Mutation - es sind fünf Prozent aller Patientinnen mit Brustkrebs - beträgt das Risiko, im Laufe des Lebens an dem Tumor zu erkranken, 60 bis 80 Prozent.

Und das Risiko für ein Ovarialkarzinom liegt zwischen 20 und 40 Prozent. Ähnlich hoch ist auch das Risiko für Trägerinnen des neu entdeckten Gens, das wegen seiner hohen Penetranz als BRCA3 bezeichnet wird.

Haben Frauen ein eindeutiges erbliches Risiko für Brustkrebs, brauchen sie eine spezielle Betreuung. In den zwölf Zentren des Deutschen Konsortiums für familiären Brust- und Eierstockkrebs werden derzeit über 10.000 Risikofamilien betreut.

"Wir bieten den Frauen eine engmaschige Überwachung mit neuesten Diagnostikmethoden im Rahmen der Regelversorgung an", sagte die Koordinatorin, Professor Rita Schmutzler von der Universitäts-Frauenklinik in Köln, zur "Ärzte Zeitung".

Ob ein Gentest angezeigt ist, hängt von klar definierten Risikokonstellationen innerhalb einer Familie ab. Er sollte möglichst bei einer bereits erkrankten Person in einem der zwölf bundesweiten Spezialzentren gemacht werden.

Vor dem Test und bei der Befundmitteilung sollte eine ausführliche interdisziplinäre Beratung mit Humangenetikern, Gynäkologen und gegebenenfalls Psychologen an den Zentren stattfinden. Und die verschiedenen präventiven Optionen sollten abgewogen werden.

Früherkennungsprogramm nicht nur für Genträgerinnen

Dazu gehört das intensivierte Früherkennungsprogramm (FEP). Es wird nicht nur den Genträgerinnen angeboten, sondern auch Frauen, bei denen sich zwar keines der bekannten Gene findet, die aber dennoch ein hohes Risiko haben.

Denn bei rund der Hälfte der Risikofamilien ist die zugrunde liegende genetische Ursache noch nicht bekannt. Das Risiko wird anhand eines PC-Programms (Cyrillic) errechnet.

Darin werden zum Beispiel die Zahl der Erkrankungen in der Familie, das Erkrankungsalter und der Verwandtschaftsgrad zu den Erkrankten berücksichtigt.

Liegt das statistisch errechnete Lebenszeitrisiko für Brustkrebs bei 30 oder mehr Prozent oder das Risiko für eine autosomal dominant vererbte Mutation in einem noch unbekannten Gen bei über 20 Prozent, sind die Betroffenen ebenfalls FEP-Kandidatinnen.

Die BRCA1-Mutation ist die aggressivere Variante

Aufgrund dieser Situation ist die Kölner Gynäkologin nicht glücklich über die Differenzierung zwischen erblichem und familiärem Brustkrebs.

Denn in Familien, in denen Brustkrebserkrankungen gehäuft auftreten, finde man ein Sammelsurium mit noch unbekannten Hochrisikogenen auf der einen und rein zufälliger Häufung sporadischer Erkrankungsfälle auf der anderen Seite.

Auch sind BRCA1- und BRCA2- Tumoren unterschiedlich in ihrer phänotypischen Ausprägung und in ihrem Risikopotenzial. Erstere sind meist Hormonrezeptor-negativ mit einem hohen Grading und fast immer Her2 / neu-negativ.

Charakteristisch für Tumoren mit BRCA2-Mutation ist ein niedriges oder mittleres Grading und ein positiver Östrogenrezeptor-Status. Kurz gesagt: BRCA1 ist die aggressivere Variante.

Das FEP umfasst außer der regelmäßigen Tastuntersuchung die Untersuchung mit bildgebenden Verfahren. Dazu zählt die halbjährliche Mammasonografie (mindestens 7.5 MHZ) sowie jährliche Mammografie und MRT. Sonographie und MRT werden ab dem 25., Mammografie ab dem 30. Lebensjahr angeboten.

Schmutzler zufolge sollte die MRT den Hochrisikofällen mit Mutationsnachweis vorbehalten sein. Denn in diesen Fällen sowie bei dichtem Drüsengewebe sei diese Methode nachweislich deutlich sensitiver, habe aber den Nachteil, dass die Rate der falsch-positiven Befunde bis zu zehn Prozent beträgt.

Die Mammografie sieht die Expertin weiterhin als wichtigen Bestandteil an, da nach internationalen Studien Karzinome bei jeder fünften Frau nur in der Mammografie, nicht aber im MRT zu sehen waren.

Der Stellenwert der Intervall- Sonografie sei zwar letztlich noch nicht geklärt, doch deren Bedeutung für die Entdeckung der Intervallkarzinome gerade bei aggressiv wachsenden BRCA1-Tumoren sei schon jetzt offensichtlich.

Viele Frauen wählen die Salpingo-Oophorektomie

Eine weitere Option für Frauen mit Genmutation ist die chirurgische Prophylaxe: Internationale Studien belegen, dass sich durch Salpingo-Oophorektomie das Risiko für Eierstockkrebs bei Frauen mit einer entsprechenden Mutation um bis zu 96 Prozent senken lässt.

Wird sie um das 40. Lebensjahr herum vorgenommen, so kann nach ersten retrospektiven Untersuchungen vermutlich auch das Brustkrebsrisiko um rund die Hälfte gesenkt werden.

Schmutzler rät zur kompletten Salpingo-Oophorektomie (inklusive beider Tuben), denn es sei ein Irrglaube, dass mit vaginalem Ultraschall plus Tumormarker CA-125 eine Früherkennung möglich sei. Mittlerweile machen 80 Prozent der in den Zentren betreuten Frauen von dieser chirurgischen Prophylaxe Gebrauch.

Die beidseitige Mastektomie reduziert Studien zufolge das Brustkrebsrisiko um über 95 Prozent. Dem minimalen Restrisiko und damit der reduzierten Krebsangst steht die Störung des Körperbildes durch den Verlust beider Brüste gegenüber.

Wichtig ist nach Angaben von Schmutzler eine eingehende Abwägung des Erkrankungsrisikos und der Vor- und Nachteile mit der Patientin sowie das Angebot des simultanen Wiederaufbaus der Brust. Jede fünfte Frau mit Genmutation macht in Deutschland von dieser Möglichkeit Gebrauch.

Viele Erwartungen wurden in die Chemoprävention gesetzt. Nach großen Studien konnte mit Tamoxifen gegen Placebo das Brustkrebsrisiko tatsächlich um mehr als 50 Prozent gesenkt werden und mit Raloxifen nach den Ergebnissen der STAR-Studie um knapp 40 Prozent.

Doch müssen bei Tamoxifen unerwünschte Wirkungen wie Endometrium-Ca und Thromboembolien bedacht werden, die bei Raloxifen geringer sind.

Gegen Tamoxifen spricht, dass sich zumindest in vitro agonistische Effekte bei BRCA1-Mutationsträgerinnen gezeigt haben. Getestet zur Primärprävention werden derzeit auch Aromatasehemmer.

Hier sieht Schmutzler für Genträgerinnen das Problem, dass sie erst spät, nämlich nach der Menopause einsetzbar sind. Bei Frauen, die bis dahin noch nicht an Brustkrebs erkrankt sind, sinke das verbleibende Risiko jedoch.

Mehr Infos zu spezialisierten Zentren: www.krebshilfe.de/brustkrebszentren.html

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