Das muss man sich mal vorstellen! Die Publikation "Prevalence of incidental breast cancer and precursor lesions in autopsy studies: a systematic review and meta-analysis" von Elizabeth T. Thomas et al. https://bmccancer.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12885-017-3808-1
hat von 1948 (!) bis 2010 mit einer weltweiten Datenbank-Recherche bei 2.363 Autopsien ganze 99 Fälle von inzidentellem Brustkrebs und Vorläufer-Läsionen beschrieben: In 62 Jahren bedeutet das jährlich nur 1,6 Fälle. Mehrere histologische Untersuchungen, jeweils mit über 20 histologischen Schnitten, bedeuteten einen starken Vorhersagewert von inzidentellem "in-situ-carcinoma" und "atypischer Hyperplasie", aber nicht für invasiven Brustkrebs. Die geschätzte mittlere Prävalenz von inzidentellem Brustkrebs und Vorläufer-Läsionen hätte 19,5% betragen.
["Results - We included 13 studies from 1948 to 2010, contributing 2363 autopsies with 99 cases of incidental cancer or precursor lesions. More thorough histological examination (≥20 histological sections) was a strong predictor of incidental in-situ cancer and atypical hyperplasia (OR = 126·8 and 21·3 respectively, p < 0·001), but not invasive cancer (OR = 1·1, p = 0·75). The estimated mean prevalence of incidental cancer or precursor lesion was 19·5% (0·85% invasive cancer + 8·9% in-situ cancer + 9·8% atypical hyperplasia)"].
Zugleich starben weltweit im gleichen Zeitraum von 1948 bis 2010 innerhalb von 62 Jahren schätzungsweise 25,5 Millionen (!), Frauen an Brustkrebs.
Quelle: "Weltweit starben 1998 circa 412.000 Frauen an Brustkrebs, das sind 1,6 % aller gestorbenen Frauen. Damit ist Brustkrebs weltweit die häufigste krebsbedingte Todesursache bei Frauen. In der westlichen Welt ist Brustkrebs bei Frauen zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr die häufigste Todesursache überhaupt.
Brustkrebs – Wikipedia" - https://de.wikipedia.org/wiki/Brustkrebs
Die Schlussfolgerungen der von Robert Bublak in der Ärzte Zeitung hervorragend genau dargestellten Publikation von Thomas et al. stehen mit der Titelüberschrift: "Zufallsbefund - Klinisch stummer Brustkrebs ist keine Seltenheit" allerdings unvereinbar im Widerspruch und zugleich auf tönernen Füßen: Wer bei Autopsien von Unfall-Toten durch welche Einwirkungen auch immer (Verkehrsunfälle, Schusswaffengebrauch, Privat-, Sport- und Berufsunfälle, Fremdgewalt oder Suizid) z. B. Frühzeichen einer hypertensiven Herzerkrankung, einer KHK, einer Herzinsuffizienz, einer Arteriosklerose, einer Karotisstenose, einer Neurodegeneration, einer COPD, eines Bronchialkarzinoms, einer Nephro- oder Hepatopathie detektiert, wird daraus doch auch nicht schlussfolgern können, dass deshalb alle unsere präventiven und kurativen Untersuchungs-, Diagnose- und Therapieverfahren bei kardio-pulmonal-vaskulär-hepato-renal-neurologischen-Erkrankungen überflüssig, sinnlos oder gefährlich wären, bzw. eine Übertherapie darstellen würden.
["Conclusion - Our systematic review in ten countries over six decades found that incidental detection of cancer in situ and breast cancer precursors is common in women not known to have breast disease during life. The large prevalence pool of undetected cancer in-situ and atypical hyperplasia in these autopsy studies suggests screening programs should be cautious about introducing more sensitive tests that may increase detection of these lesions"].
Pathologen sollten sich vor postmortalen bzw. wissenschafts- und erkenntnistheoretischen "ex post"-Überinterpretationen hüten. Sie können die Welt der Toten und Verstorbenen uns klinisch und ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzten nur erklären und interpretieren. Doch es kommt darauf an, durch aktives präventives, kuratives und auch palliatives Handeln bei unseren Patientinnen und Patienten die Lebens-Realität der Medizinischen Welt zu verändern!
Mf + kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund
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