Mit schweren Ionen gegen Prostata-Tumoren

HEIDELBERG (bd). Mit Kohlenstoff-Ionen wollen Heidelberger Ärzte gegen Prostatakrebs vorgehen. Diese neue Therapie für Männer mit lokal fortgeschrittenem Prostata-Karzinom wird jetzt in einer europaweit ersten klinischen Studie überprüft. Erste Ergebnisse mit Ionenstrahlen in Japan stimmen die Heidelberger Radioonkologen optimistisch.

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Von dem neuen Verfahren sollen Männer profitieren, bei denen die konventionelle Strahlentherapie und Prostata-Operation nicht genügt, um den Tumor zu beseitigen. In Japan konnte mit Ionenstrahlen bei 95 Prozent der Patienten der lokal bereits fortgeschrittene Tumor über fünf Jahre lang unter Kontrolle gehalten werden.

Das Bestrahlungskonzept soll in optimierter Form nun am Nationalen Zentrum für Tumor-Erkrankungen (NCT) in Heidelberg unter Leitung von Professor Jürgen Debus geprüft werden. Zunächst sollen 28 Patienten in die Heidelberger Studie aufgenommen werden. Nach einer ersten Evaluationsphase werden weitere 60 Patienten eingeschlossen.

Debus hat bereits eine langjährige Erfahrung mit Schwerionen. Als Schwerionen werden beschleunigte Ionen von Elementen wie Kohlenstoff bezeichnet. Er wendete das Verfahren bisher bei radiologisch und chirurgisch schwer angehbaren Tumoren der Schädelbasis an. Bislang wurden mehr als 200 Patienten mit dieser Indikation bestrahlt. Weit über 80 Prozent dieser Patienten konnten so geheilt werden.

Strahlen aus Kohlenstoff-Ionen haben im Vergleich zu Röntgenstrahlen den Vorteil, daß sie ihr Dosismaximum mit zunehmender Eindringtiefe erreichen. Die Ionen bleiben quasi im Tumorgewebe stecken, wie Debus auf einer Veranstaltung der Uniklinik Heidelberg gesagt hat.

Außerdem ist die biologische Wirksamkeit der Ionen-Strahlung höher. Sie schädigt das Erbgut der Tumorzellen irreversibel und verursacht damit einen gewünschten kontrollierten Zelltod. Das gelingt auch bei Tumorzellen, die wenig oder keinen Sauerstoff enthalten und bei jenen, die wenig teilungsaktiv sind, etwa bei langsam wachsenden Tumoren der Prostata.

Wegen der geringen seitlichen Streuung wird das umgebende Gewebe weitgehend geschont. Zudem lassen sich die Bereiche mit maximaler Strahlenintensität millimetergenau festgelegen. Dies wiederum ermöglicht eine hohe Strahlendosis und damit bessere Heilungschancen für die Patienten.

In die Heidelberger Studie werden ab sofort Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen Prostata-Karzinom, das die Kapsel bereits durchbrochen hat, aufgenommen. Debus: "Wir brauchen bei Prostata-Karzinomen hohe Strahlendosen und müssen das Umfeld extrem schonen". Somit ist dieser Tumortyp - sofern er noch keine Metastasen gebildet hat - eine ideale Angriffsfläche für die schweren Ionen.

Nach Debus’ Angaben erhalten die Männer zunächst über sechs Tage eine Strahlenbehandlung mit Kohlenstoff-Ionen. Anschließend wird die Bestrahlung über sechs Wochen mit Röntgenstrahlen durch eine intensitätsmodulierte Strahlentherapie (IMRT) fortgesetzt.

Dieses Verfahren ermöglicht mit einer punktgenau errechneten Dosisverteilung im Tumor eine optimale Wirkung bei maximaler Schonung des umliegenden Gewebes, denn das Tumor- und das Bestrahlungsfeld sind quasi deckungsgleich. Die IMRT sei inzwischen in vielen Zentren Goldstandard der Strahlentherapie bei lokal fortgeschrittenem Prostatakarzinom.



Schwerionen-Therapie bei Krebs

Als Schwerionen werden Ionen von chemischen Elementen bezeichnet, die in Teilchenbeschleunigern auf hohe Geschwindigkeiten gebracht wurden. Mit ihrer enorm hohen Energie können sie tief in das Gewebe eindringen. Sie werden dazu auf etwa 200 000 Stundenkilometern beschleunigt. Bislang existiert in Deutschland nur ein einziger Beschleuniger, der dazu in der Lage ist.

Die Anlage steht am Institut für Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt und ist eigentlich Forschungszwecken vorbehalten, wird jedoch zeitweise auch für die Bestrahlung von Patienten genutzt. Dort werden unter der Leitung der Heidelberger Strahlentherapeuten auch die ersten Patienten mit Prostata-Karzinom bestrahlt.

Eine Schwerionen-Bestrahlungseinrichtung wird derzeit am Universitätsklinikum in Heidelberg gebaut. Damit sollen ab 2007 jährlich etwa 1000 Patienten behandelt werden. Indikationen für diese neue Bestrahlungsmethode sind außer Prostata-Karzinomen, auch Kopf- Hals und Schädelbasistumoren, Weichteil-Sarkome sowie auch pädiatrische Tumoren. (bd)

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