Vielversprechend

Bald Impfung gegen Hirntumore?

Eine Impfung gegen bestimmte Gliome scheint prinzipiell möglich. Von vielversprechenden Tierversuchen haben Wissenschaftler auf dem DGN-Kongress berichtet. Jetzt ist eine Phase-1-Studie geplant.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Bei Hirntumoren bahnen sich Fortschritte an.

Bei Hirntumoren bahnen sich Fortschritte an.

© Arteria Photography

DRESDEN. Bei niedriggradigen Gliomen sind die Therapiemöglichkeiten derzeit sehr begrenzt, oft können Ärzte den meist noch recht jungen Patienten nicht viel mehr anbieten als kontrolliert abzuwarten und den Tumor herauszuschneiden, sofern er sich gut vom übrigen Hirngewebe abgrenzen lässt - ein Schritt der gut überlegt sein will, damit die Prozedur den Patienten nicht mehr schadet als nützt.

Eine Alternative zum Abwarten könnte vielleicht schon bald eine zielgerichtete Immuntherapie sein, für die einen großen Teil der Gliompatienten infrage käme.

Eine therapeutische Impfung könnte aber auch eine Radio- und Chemotherapie bei bestimmten progressiven Gliomen ergänzen.

Den neuen Ansatz hat nun Professor Michael Platten vom Universitätsklinikum Heidelberg auf dem DGN-Kongress in Dresden vorgestellt.

Ausgangspunkt ist eine häufige Mutation in Gliomzellen. So haben etwa zwei Drittel dieser Tumore in ihren Zellen eine Mutation im Gen für das Stoffwechselenzym Isocitrat-Dehydrogenase 1 (IDH1). Von diesen zeigen wiederum die meisten einen Aminosäureaustausch an Position 132 im Enzym.

Mutation nur in Tumorzellen

Als Folge kommt es zur vermehrten Produktion des Metaboliten 2-Hydroxyglutarat, der offenbar das Tumorwachstum beschleunigt.

Die Mutation kommt allerdings nur in den Tumorzellen vor. Die Idee nun: Könnte man Patienten gegen das veränderte IDH-Protein impfen, würde das Immunsystem gezielt die Gliomzellen angreifen.

Damit eine solche Immunstrategie funktioniert, seien jedoch einige Hürden zu überwinden, sagte Platten. Zunächst mussten die Heidelberger Forscher klären, ob IDH-Peptide überhaupt dem Immunsystem präsentiert werden und eine Reaktion auslösen.

Zwar binden IDH-Peptide nicht an MHC-I-Moleküle, fanden die Forscher heraus. Eine solche Bindung wäre nötig, um Killerzellen zu aktivieren.

Allerdings konnten sie in einer Reihe von Versuchen nachweisen, dass IDH-Fragmente von MHC-II-Komplexen präsentiert werden und in der Lage sind, auf diesem Weg T-Helfer-Zellen zu stimulieren.

Die Forscher testeten zudem die Immunantwort in transgenen Mäusen mit einem humanisierten Immunsystem.

Hier konnten sie nach einer Impfung mit selektierten IDH-Peptiden, die den mutierten Bereich trugen, eine spezifische T-Zell-Antwort gegen das veränderte IDH1 erzeugen - auf normale IDH1-Peptide sprach das Immunsystem hingegen nicht an.

Klinische Studie mit 50 Patienten geplant

Schließlich generierten die Forscher in immunhumanisiertem Mäusen Tumoren mit mutiertem IDH1 und impften sie anschließend mit IDH1-132-Peptiden.

Das Tumorwachstum wurde dabei deutlich gebremst: Die Oberfläche der Tumoren wuchs bei ungeimpfen Mäusen kontinuierlich auf etwa 90 mm2 nach vier Wochen, bei den geimpften Tieren erreichte sie dagegen nur etwa 30 mm2.

Platter sieht daher die Zeit gekommen, die therapeutische Impfung in einer Phase-I-Studie klinisch zu prüfen.

Geplant ist eine klinische Studie mit 50 Patienten, die eine IDH-132-Mutation in ihren Gliomzellen tragen.

Die Hälfte der Teilnehmer soll aus Patienten mit progressiven niedriggradigen Gliomen bestehen, die für eine Radiotherapie infrage kommen. Sie erhalten die Vakzine dann zusätzlich zur Radiatio.

Die andere Hälfte besteht aus Patienten mit anaplastischen Gliomen und prognostisch schlechtem Biomarkerprofil, sofern sie bereits eine Radiatio oder Radiochemotherapie hinter sich haben.

Geplant sind sechs subkutane Injektionen mit IDH1-132-Peptiden innerhalb von etwa einem halben Jahr. Die Studie könnte bereits Mitte nächsten Jahrs beginnen, sagte Platter.

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