Forschung

Ein Gehirntumor aus der Petrischale

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WIEN. Forscher am IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften – in Wien haben ein neuartiges Modellsystem für Hirntumoren entwickelt, um die Wirkung von Krebsgenen gezielt zu erforschen und Krebs-Medikamente zu testen (Nature Methods 2018, online 23. Juli).

Die am IMBA entwickelten "neoplastischen Gehirn-Organoide" erlaubten es, den Prozess der Krebsentstehung im Gehirn nun in der Petrischale nachzuspielen, teilt das IMBA mit.

"Diese kleinen Organoide reproduzieren einzigartige Aspekte des menschlichen Gehirns detailgetreu, wie zum Beispiel seine verschiedenen Zelltypen und Entwicklungsstadien. Sie erlauben uns daher, die Art und Weise, wie Tumoren entstehen, nachzuvollziehen und bieten ein System, um neue Therapien zu erproben", wird Jürgen Knoblich, Interimistischer Wissenschaftlicher Direktor am IMBA und Letztautor der Studie, zitiert.

"Einige dieser Mutationen sind Triebkräfte in Tumoren, sie entscheiden, ob Krebs entstehen wird", so Shan Bian, Erstautor der Studie, "andere sind einfach Nebenwirkungen. Diese unterschiedlichen Mutationen in menschlichem Gewebe gezielt zu erfassen, war bis dato ein Problem."

Manche Gene werden abgeschaltet

Die neuentwickelten neoplastischen Organoide bieten ein unglaubliches Potenzial, diesen Fragen systematisch nachzugehen, heißt es in der Mitteilung des IMBA: Durch moderne Genom-Editing Systeme wie CRISPR / Cas9 und sogenannte Sleeping Beauty Transposons werden Mutationen, die häufig bei Krebspatienten gefunden werden, in die Zellen gebracht.

So können einzelne Gene oder Genkombinationen geändert werden, manche Gene werden abgeschaltet, während die Aktivität von anderen Genen erhöht wird, und zwar unabhängig von bekannten Gendefekten.

So wollen die Forscher zwischen krebsauslösenden und weniger gravierenden Mutationen unterscheiden. Sobald sich ein Tumor entwickelt hat, können die Wissenschaftler bestimmte Mutationen genau unter die Lupe nehmen, um festzustellen, ob der jeweilige Gendefekt auch für das langfristige Überleben des Tumors essenziell ist.

Denn jede genetische Veränderung, die dazu führt, dass der Tumor schrumpft oder verschwindet, könnte ein guter Kandidat für zukünftige Therapien sein, erinnert das IMBA.

"Gehirn-Organoide haben erheblichen Nutzen für Krebsforschung"

Die Forscher hätten dieses Prinzip mit dem Medikament Afatinib getestet und hätten herausgefunden, dass nach 40 Tagen Verabreichung des Medikaments die Zahl der Tumorzellen in jenen zwei Mutationskombinationen signifikant zurückging, in denen ein Molekül namens EGFR überexprimiert wird – denn Afatinib hemmt EGFR.

Die Forscher wiederholten das Experiment mit vier zusätzlichen Wirkstoffen, die EGFR hemmen. Während Erlotinib die Zahl der Tumorzellen signifikant reduzierte, waren die Effekte anderer Wirkstoffe minimal.

"Diese Ergebnisse zeigen, dass Gehirn-Organoide auch einen erheblichen Nutzen für die Krebsforschung beziehungsweise die öffentliche Gesundheit haben. Vor allem, weil es nun möglich ist, Organoide von Patienten mit Gehirntumoren herzustellen und daran die Wirksamkeit verschiedener Therapie-Kombinationen zu testen", wird Knoblich zitiert. (eb)

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