Divertikulitis: Der Trend geht ganz klar in Richtung konservative Therapie

Zweites Rezidiv - sofort Operation? Bei der Divertikulitis sehen das viele Chirurgen so. Doch Gastroenterologen plädieren eher für Zurückhaltung. Denn auch mit Medikamenten lässt sich viel erreichen.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Bei jedem vierten Patienten mit akuter Divertikulitis kommt es zu Abszessen, Perforationen, Fisteln oder Blutungen.

Bei jedem vierten Patienten mit akuter Divertikulitis kommt es zu Abszessen, Perforationen, Fisteln oder Blutungen.

© Foto: www.endoskopiebilder.de

"In einer alternden Gesellschaft wird die Divertikulose immer mehr zu einer Volkskrankheit", sagt Professor Wolfgang Fischbach, Ärztlicher Direktor des Klinikums Aschaffenburg. Ab dem 40. Lebensjahr steige die Inzidenz der typischen Ausstülpungen der Darmschleimhaut stark. Im Alter trete sie dann bei jedem Zweiten auf, sagte Fischbach bei einer Veranstaltung der Gastro-Liga in Berlin.

Für die meisten Divertikulose-Patienten sind die Pseudodivertikel, die sich zumindest bei Menschen in westlichen Ländern vor allem im Sigma ausbilden, völlig unproblematisch. Etwa jeder vierte allerdings muss mit einer akuten Divertikulitis rechnen. Die wiederum kann bei ebenfalls etwa jedem Vierten zu Komplikationen führen. Solche Komplikationen sind Abszesse, Perforationen, Fisteln und Blutungen.

Symptome und Ultraschall maßgeblich für die Diagnose

"Diagnostisch ist die typische Anamnese wegweisend", betonte Fischbach bei der von Merckle Recordati unterstützten Veranstaltung. Linksseitige Unterbauchschmerzen mit Fieber, Stuhlunregelmäßigkeiten und einem druckschmerzhaften Abdomen sollten bei älteren Menschen den Verdacht auf eine akute Divertikulitis lenken. Die Entzündungsparameter sind oft erhöht. "Bestätigt wird die Diagnose im Ultraschall. Bei Verdacht auf Komplikationen kommt zusätzlich eine Spiral-CT zum Einsatz. Eine Koloskopie ist primär nicht nötig. Und der klassische Bariumkontrasteinlauf ist völlig obsolet", sagte Fischbach.

Verändert hat sich auch die Therapie. Sie wird zunehmend weniger invasiv, wie der Vorstandsvorsitzende der Gastro-Liga, Professor Jürgen Riemann, unterstrich: "Viele Chirurgen stehen noch immer auf dem Standpunkt, dass bei Divertikulose spätestens beim zweiten Rezidiv operiert werden sollte. Aber wir alle kennen Patienten, die zehn oder zwölf Rezidive hatten und denen es ohne Operation gut geht." Nicht so sehr die Zahl der Rezidive sei bei der Entscheidung für eine Sigmaresektion maßgeblich, sondern die Schwere des Verlaufs und die Wirksamkeit einer konservativ-medikamentösen Therapie. Riemann: "Wenn die Patienten leicht verlaufende Rezidive haben und regelmäßig auf Antibiotika gut ansprechen, dann können wir auch eine hohe Zahl an Rezidiven tolerieren."

Neue Optionen sind Aminosalicylate und Probiotika.

Das gilt umso mehr, als sich bei der medikamentösen Therapie von Patienten mit akuter Divertikulitis gerade etwas tut: Zu den im akuten Schub standardmäßig verordneten Antibiotika gesellen sich zunehmend andere Therapieansätze wie Aminosalicylate und Probiotika.

Als Antibiotika empfahl Fischbach für Patienten mit akuter, leichter Divertikulitis in erster Linie orale Fluorochinolone, alternativ auch orale Imidazole für ein bis zwei Wochen. Die Patienten sollten außerdem Flüssigkost einnehmen. Eine völlige Nahrungskarenz ist nicht erforderlich. "Diese Therapie können Ärzte gut ambulant machen", so Fischbach. Anders sieht es bei schwereren Divertikulitis-Schüben aus: Die Patienten sollten dann stationär aufgenommen werden. Eine Nahrungskarenz ist indiziert. Und die Antibiotika sollten intravenös gegeben werden: In Frage kommen Cephalosporine der 3. Generation, Imidazole, Carbapeneme oder Aminoglycoside.

Mesalazin verringerte die Zahl der Rezidive

Als mögliche Ergänzung, zum Teil auch als Alternative zu den Antibiotika, ziehen derzeit die Aminosalicylate viel Aufmerksamkeit auf sich. In einer kleineren Studie aus Italien wurden 166 Patienten mit akuter unkomplizierter Divertikulitis acht Wochen lang mit Mesalazin behandelt, berichtete Fischbach. Die Patienten wurden über vier Jahre untersucht, und die Zahl der Rezidive war bei jenen mit Mesalazin-Therapie statistisch signifikant geringer. In einer ähnlichen Studie mit 218 Patienten wurde eine antibiotische Monotherapie mit Rifaximin verglichen mit der Kombination aus Rifaximin plus Mesalazin: Die Patienten, die zusätzlich Mesalazin erhalten hatten, waren rascher symptomfrei. Fischbach betonte, dass jetzt größere Studien nötig seien: "Im Moment ist der Einsatz von Aminosalicylaten bei der Divertikulitis noch Off-label-Use. Aber wir starten in diesem Jahr eine große prospektive Studie in Deutschland, um das zu ändern."

NSAR erhöhen das Risiko einer Divertikelperforation

Noch in etwas früherem Stadium ist die klinische Forschung bei den Probiotika. Fischbach zufolge gibt es derzeit nur eine kleine Studie zu E. coli Nissle bei akuter unkomplizierter Divertikulitis. "Die Studie war positiv, aber insgesamt ist der Stellenwert noch völlig unklar", sagte Fischbach. Ergänzend sind bei schweren abdominellen Schmerzen nicht-steroidale Antirheumatika, Opioide oder auch Kortikoide zeitlich limitiert eine Option. Fischbach riet hier jedoch zur Zurückhaltung: Das Risiko einer Divertikelperforation steige bei NSAR-Behandlung um den Faktor vier, bei Opioiden um den Faktor zwei bis drei und bei Kortikoiden sogar um den Faktor sechs bis acht.

Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Ulrike Elsner

© Rolf Schulten

Interview

vdek-Chefin Elsner: „Es werden munter weiter Lasten auf die GKV verlagert!“