Therapie bei Colitis ulcerosa - wann lokal, wann oral?

Zu den Behandlungszielen bei Patienten mit Colitis ulcerosa gehört, möglichst rasch eine Remission dieser chronischen Entzündung zu erreichen und einen erneuten Schub zu verhindern. Die remissionserhaltende Therapie sollte mindestens zwei Jahre dauern, der Nutzen dieser Therapie über längere Zeiträume hinaus ist nicht belegt. Bei der Entscheidung für eine Verlängerung sollte der bisherige Krankheitsverlauf berücksichtigt werden.

Veröffentlicht:

Britta Siegmund und Martin Zeitz

Die Colitis ulcerosa ist eine chronische Entzündung der Dickdarmschleimhaut, deren Ursache bislang ungeklärt ist. Das Rektum ist immer betroffen. Die Ausbreitung nach proximal ist variabel. Die Krankheit verläuft schubweise, das heißt Phasen der Remission werden unterbrochen von Krankheitsschüben.

Die Entscheidung, ob die Patienten eine lokale oder orale Therapie erhalten sollten, hängt von zwei wesentlichen Kriterien ab: Erstens von der Ausdehnung der Entzündung und zweitens vom Schweregrad des Schubs. Anhand dieser beiden Kriterien werden hier die medikamentösen Therapiegrundsätze bei Colitis ulcerosa in Anlehnung an die neuen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen dargestellt.

Akuter Schub

Distale Colitis (Befall des Rektums und des Sigmas)

Patienten mit einem Schub leichter bis mittlerer Aktivität - bis zu vier Stuhlgänge / Tag, geringe Blutbeimengungen ohne systemische Erscheinungen - sollten bevorzugt topisch mit Aminosalizylaten therapiert werden.

Je nach galenischer Zubereitung wird 5-ASA (etwa Salofalk®) in unterschiedlichen Darmbereichen freigesetzt. Bei Proktitis können Zäpfchen (1 g) angewandt werden, bei Proktosigmoiditis Klysmen und Schäume (2 g / Tag, Claversal® Rektalschaum).

Besonders bei starken Entzündungen im Rektum besteht häufig eine Unfähigkeit der Retention der Klysmen, Schaumpräparate werden in diesen Situationen meist besser toleriert. Die Kombination mit einem oralen Aminosalizylat kann erwogen werden.

Bei Nichtansprechen auf Aminosalizylate sollten zusätzlich lokal Steroide, ebenfalls als Klysma oder Schaum (Betnesol® Rektal-Instillation, Colifoam® Rektalschaum, Entocort® rektal, 2 mg pro Tag) verabreicht werden. Die Therapie sollte in der Regel mindestens vier Wochen dauern. Bei Versagen der topischen Therapie sollten die Steroide oral eingesetzt werden. Diese können abhängig vom Allgemeinzustand der Patienten auch intravenös gegeben werden.

Ausgedehnte Colitis (Befall über die linke Flexur hinaus)

Zur Primärbehandlung von Patienten mit einem Schub leichter bis mittlerer Aktivität bei ausgedehnter Colitis werden orale Aminosalizylate eingesetzt. Die Dosis, um eine Remission zu erzielen, liegt zwischen 3 und 4 g pro Tag.

Bei Nichtansprechen müssen zusätzlich orale Steroide eingesetzt werden. Es sollte hier zunächst mit einer Dosis von 1 mg / kg KG begonnen werden. Die Dosisreduktion erfolgt nach klinischer Symptomatik.

Bei einem schweren Schub einer ausgedehnten Colitis sollte primär mit Steroiden behandelt werden. Ob die Steroide oral oder intravenös verabreicht werden, muß in Abhängigkeit vom Allgemeinzustand der Patienten entschieden werden. Meist wird von Beginn an mit oralen Aminosalizylaten kombiniert.

Fulminanter Schub

Ein gegenüber der Standardtherapie refraktärer Verlauf liegt nach sieben Tagen Therapiedauer bei fehlender Verbesserung oder bei Verschlechterung vor. Die Prognose läßt sich nach drei bis sieben Tagen abschätzen.

Zeichen für eine schwere Colitis und / oder einen fulminanten Schub sind:

  • mehr als sechs makroskopisch blutige Stuhlgänge pro Tag,
  • Fieber,
  • Tachykardien,
  • Anämie und
  • eine erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit.

Die Therapie erfolgt stationär und in enger interdisziplinärer Abstimmung zwischen Internisten und Chirurgen.

Patienten mit fulminantem Schub werden sofort und primär mit intravenösen Steroiden behandelt, alternativ oral. Die Gesamtdosis sollte morgens gegeben werden oder alternativ 2 / 3 der Tagesdosis morgens und 1 / 3 abends. Die empfohlene Steroiddosis ist mindestens 1 mg / kg KG Prednisolonäquivalent pro Tag.

Dauer und Dosis der Steroidmedikation hängen vom klinischen Ansprechen ab. Zusätzlich wird zur Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution eine parenterale Ernährung empfohlen. Aminosalizylate können zusammen mit Steroiden in einer Dosis von 4 g / Tag eingesetzt werden. Eine zusätzliche topische Therapie mit Klysmen oder Schäumen ist zu befürworten, eine additive Wirkung ist jedoch nicht gesichert.

Versagt die Steroidtherapie, sollte eine zusätzliche immunsuppressive Therapie mit Ciclosporin A (Cicloral®, Sandimmun®) oder Tacrolimus (Prograf®) eingeleitet werden. Ciclosporin A wird in einer Dosis von 4 mg / kg KG pro Tag intravenös eingesetzt. Die Kontrolle der Wirkspiegel und gegebenenfalls eine Dosisanpassung sind erforderlich.

Nach Überwinden der Akutphase wird auf die orale Medikation umgesetzt. Die Therapie mit Ciclosporin A ist je nach klinischem Ansprechen meist für vier bis sechs Monate notwendig. Nach dem Ansprechen sollte eine Azathioprin-Therapie zur Remissionserhaltung (2 - 2,5 mg / kg KG) begonnen werden.

Bei Therapieversagen und bei Entwicklung eines toxischen Megacolons ist die Operation indiziert.

Chronisch aktiver Verlauf

Ein chronisch aktiver Verlauf bedeutet, daß der akute Schub durch eine medikamentöse Therapie gebessert, aber keine vollständige und dauerhafte (weniger als zwei Rezidive pro Jahr) Remission erreicht wird. Die Diagnose eines chronisch aktiven Verlaufs stützt sich auf die Persistenz der klinischen Symptomatik.

Bei chronisch aktivem Verlauf ist außer der Option einer Colektomie lediglich die Applikation von Azathioprin / 6-Mercaptopurin als Therapie etabliert. Die Dosis liegt für Azathioprin (etwa Azafalk®, Zytrim®) bei 2 bis 2,5 mg / kg KG /Tag und für 6-Mercaptopurin (6-MP, Puri-Nethol®) bei 1 mg / kg KG / Tag. Bei Patienten, bei denen die Erkrankung auch unter Azathioprin chronisch aktiv verläuft, ist die Operation zu erwägen.

Unter der Therapie mit Azathioprin sollten in den ersten vier Wochen wöchentlich, später monatlich das Blutbild und die Gammaglutamyltransferase (?-GT) kontrolliert werden. In den ersten sechs Wochen sollte zusätzlich ein Pankreasenzym (Lipase, Amylase) bestimmt werden. Steroide sind zur Dauertherapie aufgrund ihrer unerwünschten Wirkungen nicht indiziert. Die Wirksamkeit von MTX, Mycophenolat, Tacrolimus, Heparin und von Ciclosporin oral oder rektal ist nicht gesichert und sollte daher außerhalb von Studien nicht erfolgen.

Remission

Die Remission bei Colitis ulcerosa wird klinisch definiert. Kriterien sind fehlende Diarrhö (weniger als drei Stühle am Tag), kein sichtbares Blut und keine durch die Colitis ulcerosa bedingten intestinalen oder extraintestinalen Beschwerden.

Es sollte eine remissionserhaltende Therapie erfolgen. Mittel der ersten Wahl sind Aminosalizylate - es kann sowohl eine orale als auch eine rektale Applikation erfolgen, dies ist vom Befallsmuster abhängig. Es sollten Dosen verwendet werden, für die eine Wirksamkeit nachgewiesen wurde (oral z. B. 5-ASA 1,5 g / Tag; rektal bei Linksseitenkolitis: 5-ASA-Klysmen 1 g / Tag oder 4 g jeden 3. Tag; bei Proktitis: 5-ASA-Suppositorien zweimal 500 mg / Tag oder 1 g dreimal pro Woche; 5-ASA-Schaum 2 g / Tag).

Alternativ kann bei Unverträglichkeit von 5-ASA-Präparaten eine Remissionserhaltung mit Escherichia coli Stamm Nissle 1917 (Mutaflor®) zweimal 100 mg / Tag oral angestrebt werden.

Als Steigerung der remissionserhaltenden Therapie ist hier zunächst die Steigerung der oralen Dosis 5-ASA auf bis zu 3 g / Tag, oder eine Kombination aus lokaler und oraler Therapie zu erwägen. Bei schweren Verläufen sollte eine immunsuppressive Therapie mit Azathioprin / 6-MP eingeleitet werden (2 - 2,5 mg / kg oder 1 mg / kg KG / Tag). Aufgrund des hohen Rezidivrisikos nach Absetzen einer immunsuppressiven Therapie wird eine längerfristige Therapie - über mehrere Jahre - empfohlen.

Die remissionserhaltende Therapie sollte mindestens zwei Jahre dauern, der Nutzen einer weiteren remissionserhaltenden Therapie ist nicht belegt. Bei dieser Entscheidung sollte der bisherige Krankheitsverlauf berücksichtigt werden.

Karzinomprophylaxe

Das kolorektale Karzinomrisiko ist bei Patienten mit Colitis ulcerosa im Vergleich zur Normalbevölkerung signifikant erhöht. Es steigt mit Ausdehnung und Dauer der Erkrankung an und wird zusätzlich erhöht, wenn eine primär sklerosierende Cholangitis (PSC) vorhanden ist. Eine remissionserhaltende Therapie mit Aminosalizylaten scheint retrospektiven Studien zufolge das Karzinomrisiko zu reduzieren.

Da die Colitis-assoziierte Karzinommortalität durch eine endoskopische Überwachung gesenkt werden kann, sind regelmäßige Koloskopien mit Stufenbiopsien angezeigt. Bei Patienten mit (sub)-totaler Colitis ulcerosa, die mehr als acht Jahre besteht, oder bei linksseitiger Colitis, die mehr als 15 Jahre besteht, sollte eine komplette Koloskopie mit Stufenbiopsien in jährlichen Abständen erfolgen.

Als Alternative zu dieser Untersuchung ist die prophylaktische Proktokolektomie dem Patienten zu erläutern. Die zeitlichen Überwachungsempfehlungen gelten auch für Patienten mit verbliebenem Rektumstumpf. Leiden die Patienten zudem an einer PSC, ist die Überwachung zu intensivieren.

FAZIT

Die Therapie bei Colitis ulcerosa ist abhängig vom Schweregrad und der Lokalisation der Erkrankung sowie vom bisherigen Krankheitsverlauf.

Dr. Britta Siegmund Prof. Dr. Martin Zeitz Charité Universitätsmedizin Berlin Campus Benjamin Franklin Medizinische Klinik I Hindenburgdamm 30, 12200 Berlin Tel.: 030 / 8445-2347, Fax: 8445-4481 E-Mail:gastro.cbf@charite.de



Krankheitsspezifische Immunsuppression wird angestrebt

Untersuchungen der letzten Jahre belegen, daß die Aktivierung des mukosalen Immunsystems für die Pathogenese chronisch entzündlicher Darmerkrankungen eine zentrale Rolle spielt. Basierend auf diesen Untersuchungen zielen zukünftige Therapiestrategien auf eine krankheitsspezifische Immunsuppression, zum Beispiel durch Zytokine oder Zytokinantagonisten.

Die Bedeutung dieser spezifischen Therapie wird am Beispiel des Tumor-Nekrose-Faktor-Alpha- Antikörpers Infliximab deutlich, der zwar bei einer Subgruppe von Morbus-Crohn-Patienten, nicht aber bei der Colitis ulcerosa wirksam ist.

Klinische Studien werden in den nächsten Jahren ergeben, ob und wann eine Mediator-spezifische immunsuppressive Therapie zu einem therapeutischen Vorteil führt und darüber hinaus zum Verständnis der Pathogenese bei Colitis ulcerosa beiträgt.(Siegmund / Zeitz)

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