Aktualisierte Leitlinien bei Colitis ulcerosa veröffentlicht

Für die Therapie bei Colitis ulcerosa gibt es jetzt neue Leitlinien. Sie sind das Ergebnis einer Konsensuskonferenz der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen zusammen mit dem Kompetenznetz chronisch entzündliche Darmerkrankungen. Vieles bleibt - im Vergleich mit den bisher gültigen Leitlinien von 2001 - beim alten. Neues gibt es aber etwa bei der Krebsprävention, wie Professor Eduard Stange aus Stuttgart im Gespräch mit "Forschung und Praxis" erläutert hat.

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Forschung und Praxis: Die neue Leitlinie bestätigt den hohen Stellenwert der 5-ASA-Präparate zur Behandlung bei Colitis ulcerosa. Gibt es denn Änderungen, was die Anwendung von Immunsuppressiva betrifft?

Stange: Bei leichten bis mäßig starken Schüben sind nach wie vor Präparate mit 5-ASA Therapie der Wahl. Bei schweren Schüben einer Colitis ulcerosa oder einer Pancolitis wird zusätzlich mit oralen, systemisch-wirkenden Steroiden behandelt.

Die Immunsuppressiva werden bei chronisch aktivem Krankheitsverlauf verordnet, im wesentlichen sind das Azathioprin und 6-Mercaptopurin. Diese Substanzen können jetzt relativ früh eingesetzt werden, nämlich wenn mindestens zwei Schübe jährlich auftreten. Neu ist die Empfehlung, daß bei harten Kontraindikationen gegen Steroide, das ist etwa bei einer früheren Steroidpsychose der Fall, primär Ciclosporin angewandt werden kann.

FuP: Gibt es Änderungen, was die Pharmakotherapie während Remissions-Phasen betrifft?

Stange: Nein, auch hier sind die Empfehlungen im Vergleich zu den bisher gültigen Leitlinien gleich geblieben. Nach wie vor sind hier Präparate mit 5-ASA Mittel der ersten Wahl. Kortison ist nicht wirksam. Wer 5-ASA nicht verträgt, kann E. coli Nissle 1917 einnehmen. Es gibt mittlerweile drei kontrollierte Studien, die für das Probiotikum eine dem Mesalazin ähnliche Wirksamkeit belegen. Allerdings fehlt der Nachweis, daß der E. coli-Stamm auch krebspräventiv wirkt, deshalb wird er nur als Reservemedikament empfohlen.

Die Dauer der Therapie zum Erhalt von Remissionen richtet sich nach der vorangegangenen Krankheitsaktivität, sie sollte aber mindestens zwei Jahre betragen. Dann kann eine Pause eingelegt werden und der Krankheitsverlauf wird nach spätestens einem Jahr auch mit Hilfe von Biopsien neu bewertet. Wenn dann keine Entzündung der Darmschleimhaut nachzuweisen ist, lag möglicherweise keine Colitis ulcerosa vor, sondern eine infektiöse, selbstlimitierte Colitis, und es sind keine Medikamente mehr nötig.

FuP: Patienten mit Colitis ulcerosa haben ein signifikant erhöhtes Krebsrisiko. Wie wird das in den aktualisierten Leitlinien berücksichtigt?

Stange: Neu ist die Empfehlung, bei gleichzeitigem Bestehen von Colitis ulcerosa und primär sklerotisierender Cholangitis zur Darmkrebsprophylaxe Ursodeoxycholsäure einzusetzen.

Beibehalten wurde die Empfehlung einer remissionserhaltenden Therapie mit 5-ASA-Präparaten, die das Risiko für kolorektale Karzinome verringern kann. Es beträgt kumulativ über zehn Jahre immerhin zwei Prozent und nach 30 Jahren je nach Ausdehnung der Colitis bis zu 18 Prozent. Eine regelmäßige Krebsvorsorge mit Koloskopien ist dringend zu empfehlen. Sie sollte ab einer Erkrankungsdauer von acht Jahren in jährlichen Abständen erfolgen. Vermutlich wird sich in Zukunft die Chromoendoskopie durchsetzen.

FuP: Und was empfiehlt die Leitlinie 2004 bei einer Dysplasie der Darmschleimhaut?

Stange: Bei eindeutiger, durch einen Referenzpathologen bestätigter hochgradiger intraepithelialer Neoplasie gibt es zur Proktokolektomie keine Alternative. Anders verhält es sich mit einer niedriggradigen, ebenfalls von einem zweiten Pathologen bestätigten Dysplasie. Hier ist dem Patienten die Kolektomie freigestellt, denn das Entartungsrisiko liegt nach neueren Untersuchungen nur bei zehn Prozent. Ich hätte mir vielleicht eine etwas deutlichere Empfehlung zugunsten der Operation gewünscht, denn immerhin kann dadurch ein Teil der Karzinome verhindert werden.

FuP: Was erhoffen Sie sich von den aktualisierten Leitlinien?

Stange: Solche Leitlinien sind ja nicht verbindlich, kommen aber einem rationalen Handeln in der Medizin am nächsten. Insofern hoffe ich, daß sie breit angewendet werden. Sie bieten auch die Möglichkeit, Forschungsergebnisse rasch umzusetzen.

Die Leitlinie zu Diagnostik und Therapie bei Colitis ulcerosa ist im Heft 9 / 04 der "Zeitschrift für Gastroenterologie" veröffentlicht. Sie ist demnächst auch unter www.kompetenznetz-ced.de einsehbar.

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