Diskurs um Frühtherapie bei Crohn und Colitis

Frühtherapie bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen ist ein Schwerpunktthema geworden. Aber das Konzept ist noch nicht ausgereift.

Von Philipp Grätzel von Grätz

BERLIN. Nach den Erfolgen der Rheumatologen diskutieren auch Gastroenterologen über die aggressive Frühtherapie bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED). Für eine pauschale Empfehlung ist es aber noch zu früh.

Chronisch-entzündliche Erkrankungen und der Umgang mit ihnen wird eines der Schwerpunktthemen beim diesjährigen Internistenkongress in Wiesbaden sein. Bei einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) im Vorfeld des Kongresses bezeichnete Professor Martin Zeitz von der Medizinischen Klinik I der Charité Berlin das Konzept einer aggressiven Frühtherapie bei Patienten mit Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa als zwar vielversprechend, aber noch nicht ausgereift.

"Tatsache ist, dass wir mit dem bisher favorisierten therapeutischen Stufenschema langfristige Folgen der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, etwa die Zahl nötiger Operationen, nicht wesentlich beeinflussen", so Zeitz. Deswegen sei das Konzept einer frühen Behandlung mit stark wirksamen Medikamenten wie Immunsuppressiva oder Biologika durchaus interessant.

Zeitz verwies auf Erfahrungen bei der Therapie von Patienten mit Rheumatoider Arthritis. Hier konnte in den vergangenen Jahren gezeigt werden, dass der frühe Einsatz von Medikamenten wie Methotrexat, Leflunomid oder TNFa-Blockern irreversible Gelenkveränderungen deutlich verzögert.

Diese Beobachtungen ließen sich aber nicht eins zu eins auf die Gastroenterologie übertragen, so Zeitz. Denn chronisch-entzündliche Darmerkrankungen verlaufen bei einem nicht unerheblichen Teil der Patienten lebenslang relativ gutartig. "Die Quote dieser gutartigen Verläufe liegt bei 30 bis 50 Prozent. Das bedeutet, dass wir bei einer pauschalen Frühtherapie einen Großteil unserer Patienten überbehandeln würden", warnte Zeitz.

Im Kern geht es jetzt also darum, jene Patienten, bei denen die chronisch-entzündliche Darmerkrankung aller Voraussicht nach schwer verlaufen wird, frühzeitig zu identifizieren. Das gelingt bisher aber nur eingeschränkt: "Beim Morbus Crohn könnten junge Patienten, Patienten mit dominantem Dickdarmbefall und Patienten mit frühen Fisteln möglicherweise von einer aggressiven Frühtherapie profitieren.

Für eine Empfehlung reichen die Daten aber noch nicht aus", so Zeitz. Ein Ausweg könnten neue Biomarker oder bestimmte Gewebemerkmale bei den Biopsaten sein. "Hier ist aber noch viel Forschung nötig", so der Experte.

Internistenkongress

Der 116. Internistenkongress findet vom 10. bis zum 14. April 2010 in Wiesbaden statt. Anders als in den Vorjahren wird es dieses Jahr auch am Samstag und am Sonntag ein komplettes Programm der DGIM geben.

Das gedruckte Programm im DIN-A5-Format kann über die Kongresshomepage angefordert werden. Außerdem gibt es ein Faxformular, das man ausdrucken, ausfüllen und an die Nummer 06 11/2 05 80 40 36 faxen kann.

Aktueller Stand des Kongress-Programmes inklusive elektronischer Programmplanung, Online-Anmeldung und Programm-Anforderung: www.dgim2010.de

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