Forschung

Leber auf dem Chip ersetzt Tierversuche

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JENA. Privatdozent Dr. Alexander Mosig, Uniklinikum Jena, ist mit dem mit 25.000 Euro dotierten Tierschutz-Forschungspreis des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft ausgezeichnet worden. Der Preis würdigt die von Mosig und seinem Team entwickelten Biochips, die komplexe Organfunktionen, etwa die der Leber oder die der Blut-Hirn-Schranke, nachbilden. Die Biochips konnten schon erfolgreich bei Studien zu Entzündungsprozessen und in der Wirkstoffcharakterisierung alternativ zu Tierversuchen eingesetzt werden, teilt das Uniklinikum Jena mit. Die Biochips, die die Funktionen der Leber nachbilden, werden in der Mitteilung so beschrieben: Kleine Flüssigkeitstanks sind an den Kunststoff-Objektträger angeschlossen, schmale Hohlräume in seinem Inneren mit Zu- und Abflüssen verbunden – das Aussehen des Biochips ist weit entfernt von dem einer menschlichen Leber. Aber in der Funktion kommt das Modell dem Organ schon sehr nahe. Denn in ihm sind nicht nur alle relevanten Zelltypen der Leber strukturell korrekt angeordnet, die Zellen erfüllen auch ihre Stoffwechsel- und Gewebefunktionen, und das über mehrere Wochen hinweg. Die kleinen Tanks und Schläuche sind der Schlüssel dafür, sorgen sie doch für die richtigen Strömungsbedingungen im Chip-Organ.

"Durch ein Mikroflusssystem können wir für eine realitätsnahe Perfusion sorgen, die erst die spezifische Kommunikation zwischen den Zelltypen und die gegenseitige Stabilisierung ermöglicht", wird Mosig in der Mitteilung des Uniklinikum Jenas zitiert. "Mit Hilfe von Sensoren können wir sogar die Sauerstoffsättigung gezielt regulieren."

An den Gewebemodellen menschlicher Organe, die der 41-jährige Biochemiker mit seiner Arbeitsgruppe Inspire im Zentrum für Sepsis und Sepsisfolgen des Uniklinikums Jena entwickelt, können gezielt Aspekte von Organfunktionen unter Laborbedingungen untersucht werden. Bislang war das nur im Tierversuch möglich. Mosig sieht den Organ-Chip klar im Vorteil: "Wir arbeiten hier mit menschlichen Zellen und Gewebemodellen, so dass die Aussagekraft der Versuche viel größer ist als bei Versuchen mit Nagetieren." Das Inspire-Team setzte die Organ-Biochips schon in Kooperationsprojekten mit Medizinern, Chemikern und Pharmakologen ein, in der Grundlagenforschung zur Untersuchung der Ursachen von Entzündungen und Infektionen, aber auch bei der Entwicklung neuer Therapieoptionen. Zum Beispiel entwickelten sie das Modell einer Leber, deren Funktion entzündungsbedingt gestört ist. Die "Leber auf dem Chip" zeigte dabei spezifische Immunreaktionen und war zudem zu Regenerationsprozessen in der Lage. Die Organchip-Technik floss auch in die Entwicklung eines humanen Krebsmodells ein, an dem der Wirkmechanismus einer Antitumor-Substanz aufgeklärt wurde.

Für die Testung von Nanotransportern als Wirkstoffträger haben die Wissenschaftler um Mosig die Blut-Hirn-Schranke auf dem Chip nachgebildet, berichtet die Universitätsklinik Jena. Sie arbeiten an einem Modell dieser Barriere zwischen Blutkreislauf und Zentralnervensystem, das wichtige Aspekte entzündlicher Nervenerkrankungen aufweist und bei der Optimierung der Wirkstofftransporter eingesetzt werden soll.

"Wir konnten unsere Organchip-Systeme bereits mehrfach anstelle von Tierversuchen einsetzen und damit einen Beitrag zur Reduktion und Vermeidung von Tierversuchen zu leisten", betont Mosig in der Mitteilung. "Unsere Gruppe arbeitet an Organ-Modellen von Darm, Lunge, Knochen und Niere, um die Technik als Alternative zu Tierversuchen für die Infektionsforschung, die Wirkstofftestung und perspektivisch auch für toxikologische Untersuchungen zu etablieren."

Für dieses Engagement erhält Mosig den diesjährigen Tierschutz-Forschungspreis, der mit 25.000 Euro dotiert ist. Mit dem Preis zeichnet das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft bereits zum 36. Mal innovative, wissenschaftliche Arbeiten aus, durch die Tierversuche reduziert oder ersetzt werden können.(eb)

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