US-Forscher

Früh eingeschulte Kinder häufiger mit ADHS-Diagnose

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Nur ein bisschen verträumt oder doch schon auffällig unkonzentriert? US-Forscher haben die Diagnose ADHS bei früh eingeschulten Kindern unter die Lupe genommen.

Nur ein bisschen verträumt oder doch schon auffällig unkonzentriert? US-Forscher haben die Diagnose ADHS bei früh eingeschulten Kindern unter die Lupe genommen.

© Monkey Business Images Ltd / Thinkstock

BOSTON/WÜRZBURG. Nach der Einschulung erhalten die jüngsten Kinder in einer Klasse weit häufiger eine ADHS-Diagnose als ihre ältesten Mitschüler, berichten US-Forscher der Harvard Universität (NEJM 2018; 379: 2122-2130). Sie werteten Versichertendaten von mehr als 400.000 Mädchen und Jungen aus, die zwischen 2007 und 2009 geboren wurden. Dabei berücksichtigten sie die ADHS-Diagnosen bis Ende 2015.

In 18 US-Staaten ist der 1. September der Stichtag für die Einschulung in eine Art Vorschule, in den USA Kindergarten genannt. Wer bis zum 31. August fünf Jahre alt wird, muss eingeschult werden, wer nach dem 1. September Geburtstag hat, muss noch ein Jahr warten.

Die Rate von ADHS-Diagnosen und ADHS-Therapien war in diesen 18 Staaten bei den Augustkindern um 34 Prozent höher als bei den knapp ein Jahr älteren Septemberkindern. In US-Staaten mit flexibler Einschulung gab es diese Auffälligkeit nicht. Möglicherweise werde ADHS bei vielen Kindern überdiagnostiziert, weil sie in den ersten Schuljahren im Vergleich zu ihren Klassenkameraden noch relativ unreif seien, sagte Erstautor Timothy Layton.

Schon frühere Studien hatten einen Zusammenhang zwischen frühem Einschulungsalter und ADHS-Diagnose belegt. „Es kann sein, dass manche Kinder ein falsches Etikett bekommen“, sagte der ADHS-Experte Marcel Romanos von der Uniklinik Würzburg, der Deutschen Presse-Agentur. An eine große Zahl von Fehldiagnosen glaubt der Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Würzburg allerdings nicht. Schließlich werde die Diagnose nur dann gestellt, wenn die Betroffenen in mehreren Lebensbereichen beeinträchtigt seien, nicht nur in der Schule.

Kinder später einzuschulen, sei keine Lösung, meinte er. Positiv findet Romanos, dass Lehrkräfte heute sehr aufmerksam sind und Eltern darauf hinweisen, wenn Schüler Konzentrationsprobleme hätten oder nicht still sitzen könnten.

In den USA stieg die Zahl der ADHS-Diagnosen in den vergangenen 20 Jahren dramatisch an, allein 2016 wurden nach Mitteilung der Harvard Medical School über fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen deshalb mit Medikamenten behandelt. In Deutschland sei die Zahl der Diagnosen seit einigen Jahren stabil und habe sich laut Erhebungen des Robert Koch-Instituts (RKI) zuletzt sogar reduziert, sagt Romanos. Ein bis zwei Prozent der Kinder werden dem Experten zufolge medikamentös behandelt. (dpa)

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