Gezieltes Fragen deckt verborgene Angststörungen auf

MÜNCHEN (wst). Patienten mit Angststörungen kommen häufig in hausärztliche Praxen. Allerdings verstecken sich die Störungen oft hinter somatischen Symptomen, etwa den Zeichen eines vermeintlichen Infarkts. Daher deckt nur gezieltes Nachfragen die Angst auf.

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Auch für Angststörungen gilt: Je früher sie erkannt werden und je früher die Patienten eine Medikation oder eine Verhaltenstherapie erhalten, um so besser ist die Prognose. Mit einer Lebenszeitprävalenz von neun bis 25 Prozent sind Angsterkrankungen relativ häufig. Deshalb wurden Angststörungen auch als eines der Themen bei der Münchener Veranstaltung der Fortbildungsserie Pri-Med Updates ausgewählt. Die "Ärzte Zeitung" ist Medienpartner dieser Serie.

Meist gehen die Patienten zunächst zum Hausarzt. Allerdings ist es eher die Ausnahme, dass sie in die Praxis kommen, um ihre Ängste zu schildern. Das ist die Erfahrung des Allgemeinmediziners Professor Klaus Wahle aus Münster. Bei den meisten verstecken sich die mehr oder weniger bewussten Ängste hinter somatischen Symptomen.

Ergibt deshalb die obligate körperliche Untersuchung keine Anhaltspunkte für eine organische Krankheit, gilt es, hinter die angegebenen Symptome zu schauen. Anstatt aber solche Patienten - meist erfolglos - von der Nichtigkeit der somatischen Beschwerden zu überzeugen, sollten Kollegen versuchen, mit empathischen Fragen das seelische Befinden auszuloten.

Leidensdruck bestimmt die Therapiebedürftigkeit

Schon die ernsthaft und nachdrücklich formulierten vier Wörter "Wie fühlen Sie sich?" reichen oft aus. Die Patienten gehen dann oft so weit aus sich heraus, dass ein bestehendes Angstleiden deutlich sichtbar wird. Daraufhin können die Kollegen die Chance ergreifen, das Thema konstruktiv anzusprechen, sagte Wahle.

Zwar können die Grenzen zwischen begründeten, nachvollziehbaren Angstzuständen und einer krankhaften Angststörung fließend sein. Doch die Behandlungsbedürftigkeit ergibt sich stets aus dem Leidensdruck. Er kann sehr hoch sein, zum Beispiel bei Patienten mit Panikattacken oder Phobien, die eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben verleiden und berufliche Chancen verbauen. Oder bei Menschen, die von einer generalisierten Angststörung zermürbt werden. Dann ist eine Behandlung indiziert.

Pharmakotherapie der Wahl bei allen Formen von Angststörungen sind Antidepressiva, vorzugsweise aus der Gruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) oder der modernen dual wirksamen Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI). Daran erinnerte Dr. Reinhard J. Boerner, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Quakenbrück.

Das Empfinden der Patienten zählt

Der Zustand der Patienten sollte sich drei Wochen nach Therapiebeginn erkennbar und spätestens nach sechs Wochen deutlich gebessert haben. Was dabei zähle, seien keine Skalen, sondern das Empfinden der Patienten, betonte Boerner. Für die Rückfallprophylaxe wird die Therapie für mindestens zwölf Monate weiter geführt. Bei Nichtansprechen sollte die Substanzgruppe gewechselt und außerdem die Diagnose überdacht werden.

Neuroleptika sind bei Angststörungen nicht indiziert, wie Boerner sagte. Und mit Benzodiazepinen sollten wegen der Gefahr der Abhängigkeit allenfalls bei schwer angstgestörten Patienten die ersten zwei bis drei Wochen bis zum Wirksamwerden besser geeigneter Medikamente überbrückt werden. Nach wie vor Goldstandard bei Angststörungen sind Verhaltenstherapien.



STICHWORT

Pri-Med

Der Fortbildungsspezialist Pri-Med bietet zertifizierte Updates speziell für Hausärzte an. Auf den ganztägigen Veranstaltungen geht es um häufige und praxisrelevante Krankheiten wie Diabetes. Jeweils ein Kliniker und ein niedergelassener Kollege berichten zum Beispiel über bewährte und neue Therapien und wie diese in der Praxis umgesetzt werden können. Wer sich online anmeldet, spart die Teilnahmegebühr. Die nächsten Veranstaltungen: 7. März in Hannover, 28. März 2007 in Frankfurt / Main, 25. April in Leipzig.

Infos und Anmeldung: Pri-Med Updates, Bettinastraße 35-37, 60325 Frankfurt / Main, Tel.: 018 05 / 873 283, Fax: 0 18 05 / 000 979, www.Pri-Med.de, E-Mail: Anmeldung@Pri-MedUpdates.de

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