Todesfälle in der Familie

Frühe Verluste erhöhen das Psychoserisiko

Wie beeinflusst ein Todesfall im engsten Familienkreis die psychische Entwicklung eines Kindes? Eine schwedische Kohortenstudie hat untersucht, ob durch solche Ereignisse das Psychoserisiko im späteren Leben ansteigt.

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MANCHESTER. Der Tod eines Elternteils oder Geschwisterkindes in der frühen Kindheit erhöht das Risiko, im späteren Leben eine Psychose zu entwickeln. Besonders hoch ist diese Gefahr, einer schwedischen Kohortenstudie zufolge, wenn Kinder unter drei Jahren mit dem Suizid von Vater oder Mutter konfrontiert sind.

Psychischer Stress in den ersten Lebensjahren oder gar noch im Mutterleib gilt einzelnen Studien zufolge als Risikofaktor für die Entwicklung schwerer psychischer Störungen im Erwachsenenalter. Doch die Expertenmeinungen gehen bislang auseinander.

In einer populationsbasierten Kohortenstudie untersuchte Kathryn Abel von der University of Manchester jetzt zusammen mit schwedischen Kollegen über eine Million schwedischer Kinder, die innerhalb der ersten 13 Lebensjahre schweren psychischen Belastungen durch den Tod eines Mitglieds der Kernfamilie ausgesetzt waren.

Darüber hinaus untersuchten die Wissenschaftler den indirekten Einfluss eines solchen Ereignisses über die Mutter, wenn sich der Todesfall bis sechs Monate vor der Empfängnis oder während der Schwangerschaft ereignete.

Die zwischen 1973 und 1985 geborenen Kinder wurden im Hinblick auf ihr Psychoserisiko bis 2006 weiterbeobachtet (BMJ 2014; 348: f7679).

Während der Studienzeit waren 312.249 Kinder unter 13 Jahren von einem Todesfall in der Familie betroffen. 0,4 Prozent dieser Kinder entwickelten eine nicht affektive, 0,17 Prozent eine affektive Psychose.

Nach Berücksichtigung verschiedener Störfaktoren zeigte sich, dass der Seelenzustand der Mutter vor der Empfängnis oder während der Schwangerschaft keinen signifikanten Einfluss auf die spätere psychische Gesundheit ihres Kindes hatte.

Ereignete sich der Todesfall jedoch in der Zeit von der Geburt bis zur Pubertät, war das Risiko für die Entwicklung einer Psychose leicht erhöht (Odds Ratio, OR 1,16).

Die Auswertung der einzelnen Altersgruppen zeigte: Je früher ein Kind mit einem Todesfall in der Kernfamilie konfrontiert wurde, desto größer war die Gefahr für eine Psychose. Die adjustierte OR reichte von 1,84 im Alter bis 2,9 Jahre über 1,47 bei den 3- bis 3,9-Jährigen bis 1,32, wenn die Kinder zum Zeitpunkt des Ereignisses mindestens sieben Jahre alt waren.

Den meisten Einfluss hatte ein plötzlicher Todesfall im Familienkreis. So zeigten sich vor allem nach einem Suizid deutlich mehr Psychosen als nach einem natürlichen Tod (OR 3,33 bzw. 1,84 bzw. 2,68). Aber auch nach Unglücksfällen oder Unfällen im Umfeld der Kleinsten waren spätere Psychosen häufiger.

Die Daten zeigen nach Meinung der Autoren, wie wichtig es ist, besonders auf die psychische Gesundheit von Kindern zu achten, die mit frühen Verlusten durch Todesfälle in ihrem näheren Umfeld konfrontiert werden.

Zwar wird die Entwicklung einer psychischen Krankheit zum Teil durch die genetische Ausstattung beeinflusst, doch auch viele weitere Faktoren spielen für die Bewältigung künftiger Stresssituationen eine Rolle.

In weiteren Studien sollten deshalb mögliche Ursachen für Risiken und Resilienz untersucht werden, um gefährdeten Kindern und ihren Familien eine angemessene Unterstützung bieten zu können. (St)

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