Leitlinie

Neue Therapiestandards bei Angststörungen

Jedes Jahr erkranken rund 15 Prozent der Menschen in Deutschland an Angststörungen. Die Versorgung Betroffener soll jetzt mit einer neuen Behandlungsleitlinie verbessert werden.

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BERLIN. Angststörungen sind in Deutschland die häufigsten psychischen Erkrankungen. Werden Patienten mit den Panikstörungen, generalisierten Angststörungen oder Phobien nicht früh behandelt, kommt es häufig zu Chronifizierungen, oftmals mit längeren Krankschreibungen oder sogar Frühberentungen.

Zudem haben Betroffene ein erhöhtes Risiko für Suizide sowie andere psychische Leiden wie Depressionen oder Suchterkrankungen. Trotz ihrer Häufigkeit werden Angststörungen heute in knapp der Hälfte der Fälle nicht erkannt und Patienten infolgedessen nicht fachgerecht behandelt.

Die neue S3-Leitlinie "Behandlung von Angststörungen" soll die Versorgung verbessern helfen. Sie ist in einem sechsjährigen Entwicklungsprozess entstanden und jetzt in Berlin von mehreren Fachgesellschaften und Patientenvertretern vorgestellt worden.

Die Empfehlungen richten sich an alle Berufsgruppen, die Patienten mit Angststörungen behandeln. Dazu gehören insbesondere Hausärzte, Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie psychologische Psychotherapeuten.

Für die Leitlinie hat eine repräsentative Leitliniengruppe Studiendaten zu Psychotherapie, Medikamenten und anderen Therapieformen auf Evidenz geprüft.

20 Fachgesellschaften waren daran beteiligt, darunter auch Patientenvertreter und Selbsthilfeorganisationen, teilt die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapien (DGPM) mit.

Für Patienten mit Angststörungen wird eine Psychotherapie und/oder Pharmakotherapie empfohlen. Bei der Auswahl soll der Wunsch des Patienten berücksichtigt werden. Betroffene müssen daher über Wirkeintritt, Nachhaltigkeit, unerwünschte Wirkungen und Verfügbarkeit informiert werden.

"Die gemeinsame Entscheidung von Patient und Behandler über die Therapie liegt uns besonders am Herzen", hat der Patientenvertreter Jürgen Matzat aus Gießen bei der Vorstellung der Leitlinie betont.

Psychotherapeutisch wird bei allen Formen von Angststörungen die kognitive Verhaltenstherapie empfohlen. Bei Panikstörung oder der Angst vor bestimmten Orten, Plätzen oder Reisen (Agoraphobie) - wird die Verhaltenstherapie kombiniert mit angeleiteten Expositionen angstauslösender Situationen.

Wenn eine kognitive Verhaltenstherapie nicht wirkt, nicht verfügbar ist oder nicht gewünscht wird, raten die Experten zu einer psychodynamischen Psychotherapie. Zur Ergänzung ist zudem die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe und bei der Panikstörung auch Sport (Ausdauertraining) empfehlenswert.

Zur pharmakologischen Therapie werden in erster Linie die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und die selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) empfohlen.

In zweiter Linie können Mittel wie trizyklische Antidepressiva oder Pregabalin verordnet werden. Von der Anwendung der derzeit noch sehr häufig verordneten Benzodiazepine wird wegen der Möglichkeit einer Abhängigkeitsentwicklung abgeraten.

Reicht eine Psychotherapie oder eine pharmakologische Behandlung nicht aus, soll die jeweils andere Therapieform oder eine Kombination von beiden angeboten werden. (eb)

Die S3-Leitlinie ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM), der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), des Deutschen Kollegiums für Psychosomatische Medizin (DKPM), des Deutschen Fachverbands für Verhaltenstherapie (DVT), der Gesellschaft für Angstforschung (GAF), der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen (DAG SHG) sowie weiteren Fachgesellschaften, Patientenvertretern und Selbsthilfeorganisationen.

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