HINTERGRUND
Musikerkrampf - und die Pianisten-Karriere ist zuende
"Die Symptome kamen ganz plötzlich", erzählte der heute 76jährige US-amerikanische Pianist Leon Fleisher jetzt in Berlin. "Auf einmal haben sich der vierte und der fünfte Finger meiner rechten Hand während des Spielens eingerollt, ohne daß ich etwas dagegen tun konnte."
Er reagierte, wie jeder Pianist dann reagieren würde: mit noch mehr Üben als vorher. Doch dadurch wurde es nur noch schlimmer. "Innerhalb von nur zehn Monaten konnte ich nicht mehr mit meiner rechten Hand spielen." Fleisher litt am Musikerkrampf, der fokalen Dystonie.
Bei der Dystonie treten unwillkürliche, zum Teil schmerzhafte Muskelverkrampfungen auf, die zu nicht kontrollierbaren Körperhaltungen und Bewegungen führen. Bei der fokalen Dystonie ist die Störung auf einen Körperbereich beschränkt. Vor allem Musiker leiden an fokaler Dystonie.
Bei ihnen liege die Häufigkeit um ein Vielfaches höher als bei anderen Berufsgruppen mit feinmotorisch anspruchsvollen Tätigkeiten, teilt die Deutsche Dystonie-Gesellschaft mit. Schätzungen zufolge sei einer von 200 Musikern in Deutschland davon betroffen.
Botulinumtoxin hilft vielen Musikern mit Dystonie. | |
Der Musikerkrampf ist vor allem von Pianisten bekannt. Ein prominentes Beispiel ist der kanadische Pianist Glenn Gould (1932 bis 1982). Fleisher war 35, als die Dystonie seiner Karriere ein Ende machte. Er widmete sich dann zwar seiner Lehrtätigkeit und dem Dirigieren.
Außerdem gelangte er mit Klavierkonzerten für die linke Hand zu Ruhm. Doch er gab den Traum, wieder mit beiden Händen spielen zu können, nie auf. 30 Jahre suchte er erfolglos nach Behandlungsmöglichkeiten. Vor einigen Jahren fand er Hilfe: Botulinumtoxin Typ A. In einer Studie hätten 69 von 84 Musikern auf diese Behandlung positiv angesprochen, so die Dystonie-Gesellschaft.
Seit Fleisher Botulinumtoxin in die verkrampfte Muskulatur gespritzt bekommt, kann er wieder mit beiden Händen Klavier spielen. Dennoch hat er jetzt in Berlin Paul Hindemiths Klavierkonzert für eine Hand uraufgeführt. Denn er engagiert sich für die Kampagne "Freedom to play", die mehr Aufmerksamkeit auf die Dystonie, die Erkrankung der Musiker, lenken will.