SPECT-Methode hilft, Ursachen von unsicherem Gehen aufzudecken

Wenn ein alter Mensch Probleme beim Gehen hat, wird ihm oft von Bekannten oder Verwandten geraten: "Besorg’ dir doch mal einen Termin beim Orthopäden!" Doch Orthopäden sind dann nicht immer die richtigen Ansprechpartner. Unsicheres Gehen etwa kann ja auch Folge einer neurologischen Erkrankung sein, bei der Gefäße und Gewebe im Gehirn geschädigt werden.

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:

Ein Beispiel für Erkrankungen, die zu einem unsicheren Gehen führen, sind Durchblutungsstörungen im Gehirn. So können Arterien zunehmend verkalken, und wichtige Gehirnregionen werden nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Als Folge kommt es zu Ausfällen von Funktionen, die von den betroffenen Hirnarealen gesteuert werden, wie eben das Gehen.

Typisch für dies sogenannte Subkortikale Arteriosklerotische Enzephalopathie (SAE) ist, daß die Probleme beim Gehen mit psychischen Veränderungen und Störungen beim Wasserlassen einhergehen. Wird der Zusammenhang rechtzeitig erkannt, kann zumindest das Fortschreiten der Erkrankung gehemmt werden, sagt Professor Johannes Jörg, Neurologe am Helios-Klinikum Wuppertal.

Auch für alte Menschen gilt: Blutdruck unter 140/90 mmHg

Entscheidend für eine bessere Durchblutung des Gehirns ist dann in erster Linie der Blutdruck. Die früher verbreitete Auffassung, gerade für eine gute Hirnleistung benötigten alte Leute ihren sogenannten Altershochdruck, gilt längst nicht mehr! Auch im Alter sollte der Blutdruck unter 140/90 mmHg liegen, bei Diabetikern oder etwa bei Störungen des Fettstoffwechsels noch darunter. "Das ist vielleicht zunächst unbequem für den Patienten. Aber wir Ärzte müssen ihm das beibringen, denn der gut eingestellte Blutdruck ist das A und O!", so Jörg zur "Ärzte Zeitung".

Eine schlechte Hirn-Durchblutung kann aber auch eine andere Ursache haben, nämlich einen erhöhten Hirndruck, der die Gefäße verengt oder gar abdrückt. Diese Patienten haben zuviel Liquor, es wird nicht mehr richtig resorbiert. Sammelt sich zuviel Liquor an, erhöht sich der Druck im Schädel, und bestimmte Nervenbahnen werden schlechter mit Blut versorgt.

Eine Liquorpunktion bringt Entlastung

Typisch bei diesen Patienten sind intermittierende Gangstörungen: Mal klappt es mit dem Gehen besser, mal eher schlechter. Das Ablassen von etwas Gehirnwasser mit Hilfe der Liquorpunktion bringt Entlastung - plötzlich können die Betroffenen wieder besser laufen.

Liegen den Gehstörungen dagegen Schmerzen in der Muskulatur zugrunde - manchmal kommt ein unzureichendes Wärmeempfinden an den Beinen dazu, etwa beim Duschen mit kaltem und heißem Wasser -, könnte eine Vorwölbung der Bandscheibe im Bereich der Halswirbelsäule dahinterstecken, so Jörg weiter.

Manche dieser Patienten fallen dadurch auf, daß sie das Bein nachziehen, was häufig als abgelaufener Schlaganfall oder beginnende Parkinson-Krankheit mißinterpretiert wird. Ein Blick auf die Halswirbelsäule mit Hilfe der bildgebenden Verfahren Röntgen, Computertomographie und/oder Magnetresonanztomographie offenbart die wahre Ursache der Beschwerden.

Abgenutzte Halswirbelkörper mit Bandscheibenschäden sind bei alten Menschen häufig. Mit zusätzlichen elektrophysiologischen Methoden läßt sich dann ermitteln, welche Wirbelsäulen-Etage am meisten geschädigt ist. Mit dieser Information kann gegebenenfalls der Neurochirurg die degenerierte Bandscheibe durch eine Bandscheibenprothese aus Metall und Polyethylen ersetzen.

Dieser Eingriff verringert Schmerzen, verbessert die Halsbeweglichkeit, und die Nervenbahnen können ihre Signale wieder ungehindert über den ehemaligen Engpaß am Hals transportieren.

CT-Untersuchung hilft bei Parkinson-Diagnostik

Gehstörungen haben auch Patienten mit Morbus Parkinson. Mit neuen nuklearmedizinischen Methoden könne heute der echte Morbus Parkinson sicher von anderen Erkrankungen unterschieden werden, die ähnliche Symptome wie das Händezittern verursachen.

Bei der SPECT-Untersuchung - das Akronym steht für Single-Photon-Emissions-Computertomography - zum Beispiel wird eine leicht radioaktive Substanz injiziert, die sich in bestimmten Nervenzellen anreichert. Kommt es nicht zur Anreicherung, liegt mit 99prozentiger Sicherheit ein echter Morbus Parkinson vor. "Patienten wollen oft wissen: Habe ich den richtigen Parkinson oder ein Parkinson-Syndrom?", sagt Jörg.

Parkinson-Symptome treten überwiegend erstmals zwischen dem 55. und 65. Lebensjahr auf. Frühsymptome werden oft fehlinterpretiert. Die Früherkennung und die rechtzeitige Therapie sind jedoch wichtig, und zwar auch deshalb, weil Zellen des Zentralnervensystems, die bei Patienten mit Morbus Parkinson zugrunde gehen, vom Körper selbst nicht ersetzt werden können.

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