Psychotherapie

Warum neues Wissen nicht in der Praxis ankommt

Die Psychotherapie hat ein Problem: Erkenntnisse aus der Forschung kommen Patienten in der Praxis noch selten zu Gute, bemängelt ein Experte.

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Psychisch krank: Wie kann neues Therapiewissen in die Praxis kommen?

Psychisch krank: Wie kann neues Therapiewissen in die Praxis kommen?

© Benjamin Haas / Fotolia.com

DÜSSELDORF (iss). Bei der psychotherapeutischen Versorgung von Menschen mit schweren oder chronischen psychiatrischen Erkrankungen klafft eine große Lücke zwischen Theorie und Praxis.

"Es gibt einen erheblichen Wissenszuwachs zu Erkrankungen und Behandlungsmöglichkeiten, der aber in der Versorgungspraxis nicht ankommt", sagte Achim Dochat, Leitender Psychologe bei der Bergischen Diakonie in Wuppertal.

Anlass war eine Veranstaltung zum zehnjährigen Bestehen der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf.

"Nur etwa fünf Prozent der Patienten mit schweren und chronischen Psychoseerkrankungen erhalten psychotherapeutische Behandlung", sagte er. Das sei eine überraschend geringe Zahl, die sich in den vergangenen Jahren nicht wesentlich verändert habe.

"Dieser Befund muss uns wachrütteln", betonte er. Zum einen stehe er in diametralem Gegensatz zum Stand der Wissenschaft und zu fachlichen Empfehlungen.

Zum anderen nähre er den Vorwurf, dass sich Psychotherapeuten nicht um Patienten mit schwierigen Erkrankungen kümmerten.

Die leitliniengerechte Behandlung schließe die Psychotherapie ein, sagte Dochat. "Die Leitlinien zur Schizophreniebehandlung empfehlen Psychotherapie in allen Stadien der Behandlung."

Psychotherapie selten bei Psychosen eingebunden

Er nannte mehrere Gründe für die geringe Rolle der Psychotherapie in der Psychosenbehandlung, darunter die geringen Kapazitäten und der nach wie vor bestehende Vorbehalt, dass die Therapieform kontraindiziert sei.

"Die Psychotherapie-Richtlinien behandeln Psychosen eher als Randgebiet mit spezifisch zu begründender Indikation", sagte er.

Hinzu kommt: "Nicht alle Psychotherapeuten sind bereit und kompetent zur Psychosenbehandlung." Sie scheuten die erschwerte Antragstellung und die eventuell schwierige und langwierige, terminlich eher unzuverlässige Klientel.

Zudem schafften es viele Patienten nicht, die Hürden auf dem Weg zu einer Psychotherapie zu überwinden.

Ein weiterer Faktor sei, dass schwer und chronisch psychisch Kranke vor allem durch Angebote der Gemeindepsychiatrie Unterstützung erhielten. "Die sehen in der Regel keine Psychotherapie vor."

Zur Verbesserung der Situation fordert Dochat den Ausbau der Behandlungskapazitäten in der Psychotherapie, ein größeres Engagement und eine bessere Qualifizierung der Psychotherapeuten sowie eine Erweiterung der Psychotherapie-Richtlinien.

Zudem hält er es für nötig, die Psychotherapie als integralen Bestandteil in den ambulanten gemeindepsychiatrischen Versorgungsnetzen zu verankern.

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